Virtual Klezmer

Goran Bregovic am 21.8.1999 in Jena

Besprechung (Gus)

Klezmer.de war in Jena auf dem Konzert von Goran Bregovic mit der “wedding and funeral band”.

Bericht vom ersten Konzert Goran Bregovic‘s in Deutschland.

Für mich war es das erste Mal in Jena; ein weiter Weg vom Süden der Republik in den ehemaligen Osten. Wir waren eine ganze Gruppe, die sich extra zum Konzert in Jena zusammenfand. Ein Teil kam aus München, ein anderer Teil aus Berlin. Nur für ein Konzert ist das ein weiter Weg; auch ich hatte mir überlegt, ob sich die Strapazen lohnen würden.

Wir kamen also in Jena an und waren erst mal erschlagen von der Stadt (hunderte Plattenbauten). Nach einem heftigen Kontakt mit der örtlichen Küche und einem anschließenden doppelten Kräuterschnapps, der unsere Innereien wieder einigermaßen ins Gleichgewicht brachte, wurde die Konzertarena in der Jenaer Innenstadt für das Publikum (uns inklusive) geöffnet.

Nebenbei: Zufällig waren wir im gleichen Hotel abgestiegen wie Goran Bregovic und ein Teil der Musiker. Diese kamen etwa zur gleichen Zeit im Hotel an wie wir, also ziemlich spät.

Entsprechend hat vor dem Konzert auch noch kein Soundcheck stattgefunden. Dieser wurde erst kurz vorher nachgeholt. Innerhalb von 45 Minuten soll ihn der Meister selbst in Windeseile durchgeführt  haben.

Nun zum Konzert:

Zu Beginn hatten die Musiker noch ein wenig mit den Monitoren zu kämpfen, aber nach ein paar wilden Handbewegungen in Richtung Mischpult war der Sound perfekt justiert.

Das erste Lied startete mit kleiner Besetzung. Erst beim zweiten Stück kam Goran Bregovic selbst auf die Bühne. Die Gruppe bestand aus unterschiedlichen Fraktionen von Musikern, die sich nicht nur von der Herkunft, sondern auch äußerlich unterschieden. Auf der einen Seite waren 4 bulgarische Frauen in traditionellen Gewändern sehr farbenfroh und stimmgewaltig. Zusätzlich und gleichsam als Gegenpart befand sich auf der anderen Seite ein Männerchor mit 15 Sängern. Dazwischen das Streicherensemble, das aus etwa 20 Musikern bestand, Geigen, Celli, Bässen usw. Der Chor und die Streicher waren extra für das Konzert aus Polen gekommen. Normalerweise spielt Goran mit einem anderen Orchester zusammen, wurde mir gesagt. Zu guter Letzt die “wedding und funeral band”, eine wilde Bläsertruppe, bestehend aus 2 Trompeten, Saxophon, Tuba und Posaunen.

Eine bunt gemischte Voraussetzung für ein interessantes Konzert.

Und was für ein Konzert. Sehr abwechslungsreich. Für denjenigen, der Goran Bregovic nicht gut kennen: Die Musik ist der Tradition jugoslawischer, kroatischer Musik verhaftet, mischt aber sehr viele Elemente moderner populärer Musik und auch aus der Klassik zu einem heißen Cocktail zusammen. Das klingt sehr gewagt, ist es auch, aber es funktioniert ausgesprochen gut.

Für diejenigen, die Goran Bregovic kennen: Es wurden bekannte Stücke aus den Filmen von Emir Kustorica (Zeit der Zigeuner, Underground, Arizona dream) gespielt neben weniger bekannten Aufnahmen aus einem französischen Film, bis hin zu neuen Stücken. Ein Teil der Lieder wurde sehr orchestral, ja fast in klassischer Manier gespielt. Ein anderer Teil war pompös und laut, unterstützt von Grollen und Donnern aus der Konserve.

Die Kulturarena in Jena hatte eine ausgesprochen gute Akustik. Man konnte nicht nur jeden feinen leisen Ton gut hören, auch in den lauten Passagen gingen die leiseren Instrumente nicht unter.

Das Konzert war wahrhaft gigantisch, besser: bombastisch und dauerte etwa 2 ½ Stunden ohne Pausen, Zugaben eingerechnet.

Danach wollten wir mit dem großen Meister noch ein wenig auf der anschließenden In-Party plauschen. Aber den Gefallen hat er uns leider nicht getan. Angeblich soll er gleich danach ins Bett gefallen sein. Na, das waren noch Zeiten, als man nach dem Konzert noch so richtig auf die Kacke gehauen hat....

Alles in allem hat sich die lange Reise und die Anstrengung absolut gelohnt.

Ich kann nur hoffen, daß die Goran Bregovic in Zukunft öfter Konzerte in Deutschland gibt.

Anmerkung von unserer Leserin Nada: Emir Kusturica (nicht Kosturica) ist ein bosnischer Moslem und kein Kroate. In dieser sch...Zeit, wo sich die Menschen am Balkan deklarieren mußten, war vor allem in Bosnien das Multiethnische kaputtgemacht. Ich weiß, daß Emir und Goran (ein Serbe) sich bis heute geweigert haben, diesen Balkan-Wahnsinn mitzumachen. Und das ist genau das, was in seiner Musik zu finden ist. Vor allem bei Arizona Dream ist die Musik aller ex-jugo-Völker vertreten.

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