(Besprechung: Heiko
Lehmann)
Aaron Eckstaedt - "Klaus mit
der Fiedel, Heike mit dem Bass..."
Jiddische Musik in Deutschland
2003 Philo Verlagsgesellschaft mbH, Berlin/Wien
Ein Buch über jiddische
Musik in Deutschland mit einem Zitat von Jürgen
Rennert einzuleiten (aus seiner Eröffnungsrede
der "Tage der jiddischen Kultur" 1989
in Ostberlin) ist eine Einladung, weiterzulesen.
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Und tatsächlich bietet Aaron
Eckstaedt in seinem Beitrag zum Thema erstmals in
Buchform bestens recherchierte Betrachtungen (insbesondere
zur Geschichte der Musik in beiden Teilen Nachkriegsdeutschlands)
-- ohne Zweifel die umfassendste Darstellung, die
bis jetzt erschienen ist.
Eckstaedt befragte über ein
Dutzend Musiker aus der deutschen Szene nach ihren
Wegen zur Musik. Dabei versuchte er, ein möglichst
breites Spektrum der Protagonisten einzubeziehen:
Musiker aus beiden Teilen Deutschlands (die Unterschiede
zwischen diesen beiden Gruppen sind hervorragend herausgearbeitet),
professionelle und Hobbymusiker, deutsche Juden, Christen
und Atheisten. Eckstaedts Arbeit resultiert aus einer
Dissertation, er beschreibt wiederholt Erkenntnisinteresse
und Methode seiner Herangehensweise. Dieser akademische
Ansatz ist gerechtfertigt und tut der Arbeit gut.
Es wäre in einer Rezension müßig,
auf die einzelnen Interviews einzugehen. Sie sind
eine überaus lehrreiche Lektüre, die ich
nicht vorwegnehmen will und kann. (Selbiges gilt in
gleichem Maße für Eckstaedts Schlußfolgerungen.)
Hinzu kommt das detektivische Vergnügen, die
Identitäten der Befragten, deren Namen natürlich
geändert wurden, herauszufinden. Mir ist das
etwa zur knappen Hälfte gelungen. Man könnte
sich darüber streiten, ob das Spektrum der Befragten
tatsächlich breit genug ist, jedoch scheint mir,
daß Eckstaedt im Rahmen seiner Arbeit eine kluge
Auswahl getroffen hat. Am Ende jedes Interviews wird
es in einem "Resümee" vom Autor zusammengefaßt.
Die ersten beiden Teile des Buches (Geschichte/Methode
sowie Interviews) sind die stärksten des Buches.
Vermißt habe ich Eckstaedts
Interview mit sich selbst. Eine Arbeit, die einen
akademischen Anspruch hat, verlangt eine gewisse Objektivität.
Als Protagonist der Szene, über die er schreibt,
hätte sich Eckstaedt selbst als Interviewpartner
einbeziehen sollen, um eine klare Trennung zwischen
seiner subjektiven Meinung und den Ergebnissen der
Recherchen zu erreichen. Dies wäre auch hinsichtlich
seines eigenen Werdeganges wichtig und interessant
gewesen. Es war seine Entscheidung, dies nicht zu
tun und man muß es respektieren. Ich finde es
bedauerlich, muß er sich doch nun im letzten
Teil seines Buches gefallen lassen, subjektiv und
ausschließlich zu wirken - Dinge, die er im
Buch bei anderen zu recht kritisch anspricht.
Eckstaedts Arbeit ist eine gut recherchierte,
sehr fundierte und engagierte Betrachtung zum Thema.
Sie kann nur ein Anfang sein, es ist jedoch sein Verdienst,
diesen Anfang unter Einbeziehung anderer weithin verstreuter
Arbeiten, die er dankenswerter Weise für sein
Buch gebündelt hat, getan zu haben. Der Verlag
hat gute Arbeit geleistet, es ist ein schönes
Buch geworden. Gewünscht hätte ich mir für
den Leser ein Personenregister der Musiker und Künstler,
die in den Interviews immer wieder als Vorbilder auftauchen;
es würde den Einstieg für diejenigen erleichtern,
die nicht aus der Szene kommen. Aaron Eckstaedt hat
ein erstes Standardwerk geschaffen, für das ihm
uneingeschränkte Anerkennung gebührt.
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