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Michael Wex: Shlepping the Exile

Besprechung: (Heiko Lehmann)

Michael Wex
Shlepping the Exile, Roman
Deutsch von Heiko Lehmann
Verlag Ricco Bilger, Zürich 1998
DM/Sfr 38.-

Die Anzahl klezmermusizierender Deutscher, Schweizer und Österreicher steigt himmelwärts, beeinflußt werden sie von den verschiedensten meist amerikanischen Vorbildern von Feidman bis Klezmatics, aus verschiedensten Workshops in den deutschsprachigen Ländern vernimmt man das angestrengte Schnaufen auf der Suche nach einem Zugang zur Instrumentalmusik osteuropäischer Juden -- Klezmermusik. Oft genug werden dabei lediglich musikalische Quellen studiert, oft genug lediglich historische jüdische Aufnahmen aus den USA oder Europa, ohne den osteuropäischen Kontext zu beachten. Klezmermusik jedoch ist das Abbild eines komplexen Lebens und speist sich neben reiner Musik aus den drei Lebensquellen osteuropäischen Judentums: geographischer Kontext, Religion und Sprache. Zumindest den letzteren beiden dieser Quellen hat Michael Wex in seinem Roman SHLEPPING THE EXILE ein Forum gegeben, er sei deshalb nun allen Interessierten empfohlen.

SHLEPPING THE EXILE ist die Geschichte von Joine Levkes, dem Kind orthodoxer Flüchtlinge aus Polen, und spielt Ende der fünfziger Jahre in einem Provinznest in den kanadischen Prärien von Coalbanks, Alberta. Es beschreibt die große Verwirrung des kleinen pubertierenden Joine Levkes im Spannungsfeld zwischen der Torah und Elvis Presley, zwischen Pejess (Schläfenlocken), Ziziss (rituellen Fransen) und den Nacktmagazinen früher Jugend. Joine liebt Sabina Mandelbroit, deren Familie keinen Sabbath einhält, sie wird zum Ziel all seiner "sündigen" Gedanken. Er mutiert zum jiddischen Beatnik und ist doch zu religiös, um "normal" zu sein, zu "normal", um das nicht zu bemerken, und zu sehr Kind, es zu verstehen. "Geschichten, die denen von Mark Twain oder eben von J.D. Salinger in nichts nachstehen", urteilte das Zürcher Israelitische Wochenblatt, die Berliner Morgenpost meinte lakonisch: "Und der liebe Gott schloß mit Sigmund Freud eine Wette ab", während DIE ZEIT es "ein Buch von erheblicher Windstärke" nennt.

Geschrieben wurde es von Michael Wex, dem Jiddischisten und Muttersprachler, in Englisch. Wex dazu: "Ich hätte es in Jiddisch schreiben können, aber wer hätte es gelesen? Diejenigen, die es lesen wollten, könnten es nicht, weil sie nicht oder nur wenig Jiddisch verstehen, die anderen, die Jiddisch können, würden es nicht mit der Kohlenzange anfassen, weil sie zu religiös sind." In diesem Sinne handelt es sich tatsächlich um einen raren Einblick in das Innere des orthodoxen Judentums. Das Englisch aber, das über weite Strecken verwendet wird, ist jüdisches Englisch, "Jinglisch", ein Gemisch aus Englisch und Jiddisch; es sind nicht so sehr die "eingeenglischten" jiddischen Wörter, sondern das Benutzen der Dialektik des Jiddischen, die es zum "Jinglisch" machen. Die deutsche Übersetzung versucht diese Gratwanderung nachvollziehbar zu machen, hat es jedoch nicht einfach: trotz gleicher oder ähnlicher Worte hat sich die Bedeutung einiger dieser Worte im Jiddischen im Laufe der Jahrhunderte bis hin ins Gegenteil gewandelt.

Michael Wex wurde 1954 in Lethbridge, Alberta geboren und wuchs zweisprachig (Jiddisch und Englisch) auf. Später kamen Hebräisch und Französisch dazu. Er arbeitete als Barkeeper, Taxifahrer, Pressesprecher, Professor für Jiddisch und Professor für englische Literatur z.B. and den Universitäten von Michigan und Toronto. Als Exponent und Reizfigur der jiddischen Avantgarde lebt er in Toronto. Er war eines der Highlights am Ashkenaz Festival of New Yiddish Culture 1995/1997 (God in Paris/Sex in Yiddish/Adventures in Yiddish) und hat als Satiriker und Performer auch hierzulande Kultstatus. Seit Mitte der achtziger Jahre unterrichtet er bei KlezKamp in den Catskills. 1995 gründete er in dem Versuch, neue jiddische Kultur in Englisch und in Deutsch auf die Bühne zu bringen, zusammen mit dem Unterzeichner GOLUS STORYTHEATRE (TORONTO-BERLIN).

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