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2. Klezmology
Der Begriff "Klezmer" und seine Bedeutungen

   

Der Begriff “Klezmer” und seine Bedeutungen

Aus dem Hebräischen abgeleitet von “k(e)ley-zemer”, bedeutete der Begriff “Klezmer” ursprünglich soviel wie “Träger oder Übermittler von Klang” und war eine Bezeichnung für Musikinstrumente. Aus dem sechzehnten Jahrhundert stammt ein Text des Trinity College in Cambridge, “worin das Wort célé-sémorim nicht mehr das Spielgerät, sondern den Spieler meint.” Seit dem siebzehnten Jahrhundert wird allgemein mit “Klezmer” ein Musiker bezeichnet, der professionell instrumentale jüdische Hochzeitsmusik spielt.

 

Mit der Figur des Klezmer (Plural: Klezmorim) haben sich seither viele Vorstellungen verbunden.Die Klezmorim hatten in Osteuropa ihr eigenes hochentwickeltes Vokabular, das mit dem Rotwelsch der Ganoven viel gemeinsam hatte und auch ihr Ruf war häufig nicht besser als der eines Diebes. Da Klezmorim damals außerdem oft fahrende Leute waren, wurde mit ihnen ein freizügiges und unkonventionelles Leben verbunden.

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Gleichzeitig herablassend betrachtet wegen ihrer untypischen Lebensweise und bewundert für ihre Fähigkeiten hing den Musikern ein gewisses Mysterium an. Auch in literarischen Werken hat sich ein Charakter des verführerischen Außenseiters etabliert, der lange Zeit mit dem Begriff “Klezmer” in Zusammenhang gebracht wurde. Stempenju, die wohl bekannteste literarische Figur eines Klezmer-Geigers in einem Werk von Scholem Alejchem, zeichnet eine seelenvolle, fast schon diabolische Ausstrahlung aus, mit der er die Jungfrau Rochel verführt:

    “Und Stempenju verströmt sich auf der Fiedel und schmilzt wie Wachs: `Tjoch - tjoch - tjoch´, mehr hört man nicht; eine Hand fliegt hinauf und hinab, mehr sieht man nicht, und man hört allerlei Stimmen, und verschiedene Arten Gesang ergießen sich, und so traurige, daß es zu Herzen geht. Das Publikum vergeht mit allen Kräften, das Publikum erstirbt, es stirbt mit allen Gliedern. Das Herz wird so voll, es fließt über (...) Rochel errötet, senkt die Augen und antwortet ihm nur auf das zehnte Wort. Es gehört sich nicht, sich plötzlich mit einem Musikanten hinzustellen, und noch dazu vor all den Leuten (...) Man erzählt von ihm, er komme mit allen Zauberern und bösen Geistern zurande.” (Alejchem 1990:20-24)

Um die Jahrhundertwende herum, in der Phase der Auswanderung vieler osteuropäischer Juden nach Amerika, vollzog sich ein schneller Imagewandel des Klezmers. Der Wunsch der Einwanderer, sich an die neue Umgebung kulturell anzupassen, bewirkte eine Abkehr von der traditionellen Kultur. Die Arbeit im Musikbereich veränderte sich, und neue Anforderungen wurden für das Überleben und den Erfolg als Musiker ausschlaggebend. Nur diejenigen, die sich den neuen Bedingungen anpassen konnten, fanden in der “Neuen Welt” Arbeit und Anerkennung und konnten die inzwischen eindeutig abwertende Bezeichnung “Klezmer” ablegen.

    “But the khasene trade wasn’t the work of preference, and the plummier jobs in the theaters and clubs, and later on in radio, required musicians who could read down a chart, transpose, or play the tune in a different key from the written one at sight, and perhaps even double on a second instrument. The player who could not rise to such demands began to be known as `just a klezmer´.” (Sapoznik/Dion/Sokolow 1991:9)

Der seit den vierziger Jahren aktive Klarinettist und Orchesterleiter Marty Levitt lernte noch von seinem Vater, einem aus Osteuropa stammenden Klezmer, drei Kategorien jüdischer Instrumentalisten auseinanderzuhalten:

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“A klezmer was not a good musician. There was 3 grades in the Jewish musicians: `Musikant´, which was a musician with education, next came the `Klezmer´, a guy that played weddings, and then came the `Yardnik´, a guy that played in the yards.” (Interview Marty Levitt)

Auch nach den siebziger Jahren reagierten trotz des Klezmer-Revivals viele Musiker der älteren Generationen nicht gerade erfreut, wenn man sie Klezmorim nannte. Obwohl sie sich in den neunziger Jahren endlich selber stolz “a real klezmer” nennen, scheint dies für sich genommen doch immer noch nicht zu genügen, um sie als gute Musiker auszuweisen. Eine Reihe von ihnen legt daher immer noch großen Wert darauf, ihr musikalisches Können mit einer klassischen Ausbildung oder Erfolgen im Jazz zusätzlich zu legitimieren.

Eine Ausweitung des Begriffs “Klezmer” begann mit dem russischen Musikforscher Moshe Beregovski, der 1937 zum ersten Mal: “Jewish instrumental (klezmer) folk music” als übergeordneten Gattungsbegriff für die instrumentale Hochzeitsmusik der Aschkenasim einführte. Mark Slobin grenzte später in den USA das Verständnis von Klezmer-Musik als eine säkulare, instrumentale Unterhaltungsmusik der aschkenasischen Amerikaner ein. Im Klezmer-Revival bürgerte es sich schließlich ein, die Bezeichung Klezmer-Musik allgemein für das musikalische Genre zu benutzen, ohne sich allerdings über die inhaltliche Definition einig zu sein. Musiker wie Plattenproduzenten und Veranstalter haben sich seither dieses vagen Begriffs bedient, um ihre Produkte möglichst günstig zu vermarkten. Die heutige Entwicklung kommentiert der Pianist und Arrangeur Pete Sokolow lakonisch:

    “klezmer has expanded to become a generic term for all of this kind of stuff that’s based on whatever Jewish.”

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