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Die kulturelle und politische Situation in den USA um 1970

   

Die kulturelle und politische Situation in den USA um 1970

Auf die Frage, was der Hauptauslöser für das Klezmer-Revivalgewesen sei, wurde fast immer “Roots” genannt. Lange Zeit herrschte in den USA das Ideal des “Melting Pot”. Es gab vor, daß Einwanderer ihre eigene Kultur an eine übergeordnete amerikanische Kultur anpassen sollten. Dieses berühmte amerikanische Ideal geriet in den sechziger Jahren ins Schwanken. Die Ansicht, die Idee der Vereinheitlichung durch einen multikulturellen Ansatz abzulösen, fand immer breitere Anerkennung. Alex Haley veröffentlichte zu dieser Zeit eine Geschichte, die später zu einer der bedeutungsvollsten Fernsehserien der USA verfilmt wurde und nicht nur auf die afro-amerikanische Bevölkerung große Wirkung haben sollte. “Roots” erzählt detailliert das Schicksal eines Afro-Amerikaners, der seine Wurzeln bis in ein Dorf nach Westafrika zurückverfolgt. Geschichte und Filmserie bewirkten, daß sich eine allgemeine Rückbesinnung auf den eigenen kulturellen Hintergrund vieler ethnischer Minderheiten in den USA durchzusetzen begann.

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“In the 60s and 70s the oral history, the voice of an individual who didn’t have the big picture but who could bring a very personal view to a historic moment suddenly began to catch people’s attention. It suddenly became possible to have a history that comes out of your family. `Roots´ was a good example of how a large history was presented in terms of a small history. It proved that you could have this incredible kind of interest based on something that was just in your home.” (Interview Sapoznik)

Kulturelle Unterschiede wurden plötzlich nicht mehr als anti-amerikanisch abgestempelt, sondern kamen in gewissen intellektuellen und künstlerischen Kreisen regelrecht in Mode. Die Hippies übernahmen diese Aspekte und rissen weitere kulturelle und soziale Barrieren nieder. Die Black-Power Bewegung der Afro-Amerikaner breitete sich aus. Die allgemeine Einstellung gegenüber kultureller Vielfalt veränderte sich. Ein Teil des Erfolgs dieser Werteumkehrung wurde durch den, von einem Großteil der Bevölkerung abgelehnten, Vietnamkrieg noch verstärkt. Man begann nach innen zu schauen und der eigene kulturelle Hintergrund wurde nun zum Zentrum der Identifikation. Das hatte im Bereich der Musik zur Folge, daß in den späten sechziger Jahren viele traditionelle Musikformen wiederentdeckt wurden, die bis dahin fast gänzlich verschwunden waren. Es gab verschiedene “Folkmusic-Revivals”, von denen sich besonders stark irische und amerikanische Traditionen bis heute etablieren konnten.

Das Jahr 1967 stellte weltweit für viele Juden einen Wendepunkt für ihre jüdische Identität dar. Schon zwanzig Jahre vorher hatte die Staatsgründung von Israel im Jahre 1948 für die jüdische Weltbevölkerung eine wichtige Bedeutung. Voller Inbrunst hallten die israelischen Lieder auch in Amerika wieder, tanzte man die israelische Hora statt der osteuropäischen, lernte man eher Hebräisch in der Schule als Jiddisch von den Eltern.

     

    “Israeli culture which was macho and militaristic and it wasn’t wimpy and fuggy and feminine like those scholarly smart Eastern European Yeshiva boys - that’s so un-American: intellectual is un-American (...) Israeli culture was a way for Jews to continue to be Jewish but to be more American. So klezmer went out of the window, and Yiddish went out of the window.” (Interview Svigals)

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Dann kam im Jahre 1967 der Sechs-Tage-Krieg. Juden wurden plötzlich zu Siegern und waren nicht mehr wie jahrtausendelang davor geduldige Opfer. Das erste Mal seit langer Zeit in der jüdischen Geschichte wehrten sich Juden schnell, gewaltsam und erfolgreich. Dieser militärische Erfolg zog eine neue Welle der Identifikation mit dem jüdischen Staat nach sich und noch mehr amerikanische Juden unterstützten persönlich oder finanziell die zionistischen Ziele. Gleichzeitig hatte diese zwar erfolgreich abgewehrte, im Vorfeld jedoch äußerst beängstigende Vernichtungsdrohung an Israel auch zur Folge, daß bei vielen das Ideal einer starken, vereinheitlichenden israelischen Kultur schnell wieder ins Schwanken geriet. Weiter verstärkt wurde eine Abwendung von der israelischen und Hinwendung zur eigenen Kultur durch den Jom-Kippur-Krieg 1973. Viele amerikanische Juden distanzierten sich innerlich von Israel und machten sich verstärkt Gedanken über ihre eigene jüdische und amerikanische Identität, ermutigt durch das eben beschriebene “Roots-Phänomen”. Was noch von den Eltern und Großeltern verdrängt wurde und mit israelischen Werten teilweise ersetzt worden war, gewann nun wieder an Relevanz und wurde neu überdacht. In den Hintergrund gerückte traditionelle Werte wurden zurückgeholt und mit Gegenwartsbezug neu interpretiert, insbesondere die jiddische Sprache und die verschiedenen aschkenasischen Musiktraditionen.

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