Kommentar zu einzelnen
Stücken:
1. Klespourrie
Die Klespourrie-Zusammenstellung entstand ursprünglich
als Vorspann für eine Theaterinszenierung. Sie
besteht aus mehreren Teilen:
Eine sehr interessante Zusammensetzung.
Die Stücke a,b,c sind etwas langsam und schleppend.
Der Scher und Lechajim / Odessa Bulgarisch sind
die schönsten Stücke des Klespourries. Solle
man aber ganz gehört haben. Schön und interessant
gemacht.
2. In schtetl Nikolajew
(Text: David Medoff Musik: traditionell)
Ein sehr interessantes Lied. Es ist mir
schon einmal auf einem Sampler aufgefallen,
da es keine instrumentale Unterstützung hat.
Die Hintergrundmelodie ist auch gesungen. Eine
sehr interessante Sache. Muß man gehört haben,
gefällt mir sehr gut. Allerdings sollte man
die Sprache recht gut verstehen, um dem Text
folgen zu können.
“Ssurele verliebt sich unsterblich in ihren
Schuster. Sie feiern Hochzeit mit den besten
und schönsten(!) Musikanten des Ortes. Doch
diese Liebe ist nicht von Dauer, da der Schuster
zum Militär einberufen wird. Ssurele kann das
nicht verwinden und nimmt sich mit Gift das
Leben.
Melodie und Text von Nikolajew stammen von einer
alten Schellackplatte, aufgenommen im Jahr 1923.
Dort wurde es von David Medoff gesungen, der
auch unter dem Namen Igor Petrenkow auftrat.”
3. Jidisch tango
“Spielt mir einen Tango in Jiddisch - den Tango
eines vertriebenen und verstreuten Volkes -
auf daß die Großmutter und die Kinder danach
tanzen. Spielt mir einen Tango der nicht arisch
und barbarisch ist, damit die Feinde sehen,
daß ich noch tanze. Spielt mir einen Tango vom
Frieden, der kein Traum bleiben soll, auf daß
Hitler und sein Reich im Erdboden versinkt.
Oh, wird das ein Tanz für euch! Ebenso wie "Muess"
(Titel 8) befindet sich dieses Lied in dem Buch
"Lider fun getos un lagern", veröffentlicht
1948 von Schmerke Kaczerginski. Die Melodie
wurde bekannter mit dem Text und Titel "Schpil
ssche mir a lidele in jidisch".”
4. Bajm rebn in
Palestine / Terkisch jale w´jowe tanz Ist
eine schöne langsame Hora auf der Mondoline
und Klarinette gespielt. Ein schönes Stück.
Der Terkish jale ist auch ein weit verbreitetes
Stück, das hier in einer ungewöhnlichen Form
gespielt wird. Schön !
“ Die Hora "Bajm rebn in Palestine"
stammt von Aufnahmen der BRODER KAPELLE aus
dem Jahr 1929. Wir fügten in das Stück einen
Improvisationsteil ein und verbanden es mit
dem Terkish jale w' jowe tanz (Brandwein-Aufnahme
von 1923). Wie der Name schon andeutet ein Terkish,
den wir teilweise mit 7er und 9er Takten rhythmisch
veränderten.”
5. Huljet, bejse
wintn Ein nachdenkliches Stückchen mit einer
traurigen Melodie. Gefällt mir persönlich sehr
gut, ist aber fast ein wenig zu depressiv. Text:
Abraham Reisen Musik: Michel Gelbart
“Ein Lied über die "bösen Winde",
die starken Stürme, die die Felder verwüsten,
die Vögel vertreiben und die Häuser zerstören.
Ihr Stürme, jetzt ist eure Zeit. Der Winter
wird noch lange dauern, der Frühling ist noch
weit.
Der Poet Abraham Reisen wird auch als der "Heinrich
Heine der jiddischen Sprache" bezeichnet.
Sein Lied, ursprünglich "Zum winter"
genannt, entstand unter dem Eindruck des harten
Winters im Jahre 1900. Jüdische Arbeiter veränderten
1904/5 die letzten Zeilen in hoffnungsvollere:
"lang wet dojern nit der winter, friling
is nit wajt". Ebensolches ist aus dem Warschauer
Ghetto überliefert.”
6. Schojn wek der
nechtn “Das Gestern ist schon fort, das
Morgen noch nicht da, es ist nur das bißchen
Heute da. Darum stört es nicht mit Sorgen. Trinkt
noch einen solange ihr am Leben seid, denn in
der kommenden Welt wird man euch -so Gott will-
nichts geben. Die Gesellschaft für Jüdische
Volksmusik in Petrograd publizierte das Lied
als anonymes Volkslied im Jahre 1917. Textliche
und melodische Passagen lassen auf einen chassidischen
Ursprung schließen.”
7. Don un Donje
Ein etwas seltsames Stück, indem Claudia
Koch zwar sehr schön singt, aber die Melodie
und der Rhythmus etwas zu kurz kommen. Text:
H. Roisenblat Musik: Michel Gelbart
“Don hat zwei schwarze Schläfenlocken und ist
der beste Schüler der Schule, in die er jeden
Tag geht. Donje hat zwei goldene Zöpfe und wird
die Königin der Steppe genannt, in die sie jeden
Tag eine Herde Schafe treibt. Die Beiden begegnen
sich jeden Morgen, erröten, und schlagen verschämt
die Augen nieder. Wenn Don dann in der Schule
sitzt, verschwimmen die Buchstaben zu einer
Herde Schafe. Und wenn Donje ihre Schafherde
betrachtet, muß sie immerfort an die gelockten
schwarzen Haare von Don denken.
Dieses lyrische Liebeslied fanden wir wie "Huljet,
bejse wintn" (Titel 5) in einer amerikanischen
Liedersammlung von Joseph und Eleanor Chana
Mlotek. Es soll früher nicht nur in Amerika,
sondern auch in Europa populär gewesen sein.”
8. Muess
Ist eine bluesige Sache, vermischt mit
Klezmer Teilen. Gefällt mir gar nicht.
“Muess - Geld ist doch die beste Sache. Der
Judenrat nimmt von uns Steuern, aber zu essen
bekommen wir nur Brot und Zucker. Zu hause habe
ich Orangen gegessen, heute essen mich die Läuse
und Wanzen auf. Auch jüdische Polizisten kann
man bestechen, um nicht ins Lager zu kommen.
Wenn du also kein Geld hast, gib deine Lebensmittelkarte
ab und laß dich im Buch der Legenden verewigen.
Durch die Zusammenarbeit mit der New Yorker
Sängerin und Schauspielerin Adrienne Cooper
lernten wir "Muess"kennen. Im Buch
"Lider fun getos un lagern", steht
zu dem Lied: gesungene kupletn in Warschewer
geto ojf dem jidn-rat (forsizer Tscherniakow),
ojf der jidischer polizaj un ojf andere aktuele
temen. Hinter dem freundlichen Swing und dem
eingeworfenen Schtiler Bulgar verbirgt sich
ein bitterböser und ironischer Text.”
9. Fun taschlich
Schön und anspruchsvoll gespielt, aber
zu schleppend bis das eigentlich Lied “fun taschlich”
so wie wir es kennen zu hören ist. Sagt mir
nicht zu.
“Ob
Fun taschlich mit dem Taschlich Ritual zu Rosch
ha Schana, dem symbolischen Sündenabwaschen
durch das Taschen ausleeren am fließendem Wasser
zu tun hat, ist nicht gesichert. Die Melodie
stammt von einer Brandwein-Aufnahme vom 18.Februar
1926. Wir krempelten statt unserer Taschen die
Melodie um und unterlegten sie mit Dojna zum
Improvisieren, Hora zum Schwingen und schnellen
Rhythmen zum Tanzen.”
10. Majn
rue-plaz Ein
langsames und nachdenkliches Lied. Etwas einschläfernd.
Text und Musik: Morris Rosenfeld
“Such
mich nicht, wo Mirten grünen, Vögel singen,
oder Fontänen spritzen. Dort wirst du mich nicht
finden. Wo Leben an Maschinen verwelken, Zähne
knirschen und Ketten klirren ist mein Ruheplatz.
Und liebst du mich wirklich, dann komm zu mir
und mach ihn mir süß, diesen Ruheplatz.
Morris Rosenfeld (1861-1923) war russischer
Jude und wanderte 1886, in der Zeit der Massenemigration
osteuropäischer Juden, nach Amerika aus. Dort
verdiente er sein Geld als Konfektionsarbeiter.
Einige Texte des Arbeiterdichters sind sehr
populär geworden. Sein Lied Majn rue-plaz ist
seit Gründung von Aufwind im Repertoire”
11. Awek
di junge jorn / Dojna / Gassn-nign
“Über die
Berge kommen Tauben geflogen und genauso schnell,
wie sie hergeflogen kommen, fliegen sie wieder
davon. Genauso schnell sind auch meine jungen
Jahre fortgeflogen. Ich fordere meine Brüder
auf, mir die Pferde vor den Karren zu spannen,
damit ich meinen jungen Jahren nachreisen kann.
Auf einer großen, breiten Brücke erreiche ich
sie, und flehe sie an, wenigsten für einen Moment
zu mir zurückzukehren. Doch die jungen Jahre
erwidern: Nein, wir kehren nicht zurück. Du
hättest uns in deiner Jugend nicht so vergeuden
sollen.
Bei einer ukrainischen Frau in Odessa, wo wir
im Sommer 93 übernachteten, hörten wir das Lied,
das der Platte ihren Titel gab. Die Frau sang
es im Glauben, daß es ein bekanntes ukrainisches
Lied sei. Ohne es zu wissen, sang sie neben
Ukrainisch auch Jiddisch. Dies inspirierte uns,
den Text anfangs in Jiddisch, und am Ende in
Ukrainisch zu singen. Die ukrainische Version
fanden wir bei der aus der Ukraine stammenden
und seit 1932 in Kanada lebenden Sängerin Mariam
Nirenberg. Eine sprachkundige Freundin half
uns bei der Rekonstruktion des Textes. Die Dojna
und der Gassn-nign sind aus der Sammlung des
sowjetischen Ethnologen Mojsche Beregowski”
Fazit:
Eine CD mit unendlich
vielen Informationen. Diese Variante der CD
Besprechung erschien mir am sinnvollsten, obwohl
das Texte-Übernehmen nicht meine Sache ist.
In der CD selbst steckt mir zuwenig Klezmer.
Viele Titel sind langsame Lieder mit schwacher
musikalischer Untermalung, ansonsten fehlt der
Schwung bei der ganzen Sache.
Bewertung:
Interpretation
Virtuosität
Spielfreude
Aufmachung
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