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Giora Feidman
the soul chai

(Besprechung: Andreas)

Giora Feidman – The Soul Chai ( 1995 )

Aufgenommen im August 1995 im NDR Studio 10, einem Gebäude, das der israelischen Glaubensgemeinschaft bis zum 9. September 1938 als Synagoge gedient hat.

Die Besetzung:
Giora Feidman – Klarinetten
Katja Beer – Mezzo-Sopran
Mikhail Alexandrovich – Kantor
NDR Chor

Kleine Anmerkung am Rande:
Bei den meisten CDs werden die Titel mit deutschen Buchstaben ( korrekt wäre arabisch ) geschrieben, obwohl es sich um jüdische Texte handelt. Mir ist unbegreiflich, daß die Verlage (fast) keine richtige YIVO Schreibweise hinbekommen. Da werden manche Wörter mal mit “v” dann mit “w” oder “z” oder “s” geschrieben; oder mal ein “h” eingesetzt wo eigentlich keines hingehört. Es gibt klare Richtlinien wie ein jüdische Texte zu transkribieren sind. Dies ist Vielen offensichtlich nicht bekannt, obwohl sie ein Produkt vermarkten. Heutzutage gibt es Bücher, in denen alle Wörter in richtiger YIVO-Transkription abgedruckt sind.

Dies soll keine Kritik an der Aufmachung der Platten sein, aber bei dieser CD ist es eben wirklich aufgefallen.

 

Lieder:

1.Yugent- Himen
1b.  Zog nit keyn mol ( 2:13 )
2.   Jiddish Tango ( 2:57 )
3a.  Rivkele, die Shabesdike
3b.  Der Hoyfzinger fun Varshever Ghetto (2:44)
4.   Mode Ani ( 5:49 )
5a . Oyf eybik unser Lebn ( 3:14 )
5b . Yisrolik
6a . Main Shikhelekh varfoylt ( 3:14 )
6b.  Makh tsu die eygelekh
7a.  Minutn fun bitokhen ( 3:27 )
7b.  Es shlogt di sho
8.Tefilati ( 3:24 )
9.Friling ( 3:48 )
10.Follow the Klezmer´s Light ( 2:53 )
11.Zelbike Gasn ( 3:19 )
12.Tsen Brider ( 3:41 )
13.Shtiler, Shtiler ( 4:29 )
14.Mir veln zey iberlebn ( 3:04 )
15.Ikh benk aheym ( 3:40 )
16.Ani Ma´aim ( 3:18 )
17.Kadish ( 4:31 )
18.Hatikva ( 1:19 )

Feidman-soul chai
 

Kommentar zu einzelnen Stücken:

Yugent-Himen ( Hymne der Jugend ), und Zog nit keyn mol ( Sag nicht: nie ) Der Texter Kaczerginski hat dieses Lied den Kindern des Jugendclubs im Ghetto von Wilna gewidmet. Das Partisanenlied “zog nit keyn mol” stammt ebenfalls aus dem Wilnaer Gehott, jedoch schrieb es der Komponist Bayse Rubin. Der Text des Liedes soll den Siegeswillen beschreiben.

Jiddish Tango Eine sehr bekannte Melodie, die fast jeder Musiker irgendwo einmal aufgenommen hat. “Spiel mir einen jüdischen Tango, den sogar die Großmutter kennt und dazu tanzen kann” – So könnte man den Text übersetzen. Ein wirklich schönes Lied, in einer etwas anderen Form als gewohnt.

Rivkele, die shabesdike , 3b. Der hoyfzinger fun Varshever Getto Rivkele, die shabesdike ( Rivkele, eine vom Sabbat ) bezieht sich auf den Massenmord im Ghetto von Bialystok am Sabbat.  Die Frauen, deren Männer dort umkamen, wurden “Shabesdike” genannt – Eine vom Sabbat.  Die Melodie zum Hofsänger ist aus einem populären Straßenlied. Der Text stammt von  Reuven Lifshutz ( 1918-1975 ) und beklagt den Tod in den Lagern. Ein sehr interessantes Lied, gefällt mir aber in der KCB Version besser. Es ist dort auf der “Live” CD zu finden. Feidman spielt das Stück auf der Klarinette – ohne gesungene Passagen. Schade um das schöne Lied.

Mode Ani Mode Ani ist das Gebet der Juden nach dem Aufwachen, der Dank dafür, daß die Seele in den Körper zurückgekehrt ist.

Oyf eybik unser lebn ( für immer unser Leben ), 5b. Yisrolik Beide Melodien stammen von Leyb Rosental. Weitere Informationen sind mir leider auch nicht bekannt. Ich kann nur soviel sagen, daß ich beide Lieder recht gut finde.

Main shikelekh varfoylt ( Meine Schuhe sind verfault ) b. Makh tsu di eygelekh ( Mach Deine Augen zu ) Die Texte stammen beide von dem Dichter und Lehrer Isaiah Shpigl. Die Lieder sind finde ich zu langsam und viel zu leise. Man muß schon genau hinhören, um irgendwas zu verstehen. Eine Melodie habe ich auch nicht heraus hören können.

Minutn fun bitokhen ( Momente der Sicherheit ) und 7b. Es shlogt di sho ( Die Stunde schlägt ) Minutn fun bitokhen stammt von Mordechaj Gebirtig. Er wurde 1877 in Krakau geboren und war einer der bedeutendsten Dichter des jüdischen Liedes. Er lebte als Tischler in ärmlichen Verhältnissen und verarbeitete in seinen Liedern zunächst nur Privates, ganz persönliche Eindrücke und Erfahrungen. Trotzdem wurden seine Volkslieder sehr schnell auch außerhalb bekannt. Gebirtig wurde am 4. Juni 1942 im Krakauer Ghetto erschossen.  “Momente der Sicherheit” entstanden 1940. Die zweite Melodie ist unbekannt, lediglich der Text stammt von Kasriel Broydo und ist ein Teil des Theaterstückes “Moyshe halt zikh” das im September 1943 im Wilnaer Ghetto aufgeführt wurde. Boydo wurde im Januar 1945 ermordet. Minutn fun bitokhen ist eines der schönsten Stücke der CD. Auch wenn es ein sehr langsames Stück ist, hat es  doch einen besonderen Touch. Klasse !

Tefilati ( Mein Gebet ) von Giora Feidman. Zu langsam, zu wirr, zu wenig Melodie. Ein Stück, daß man schnell wieder vergißt. Schade.

Friling Das Lied wurde im April 1943 von Shmerke Kaczerginski ( 1908 – 1954 ) im Wilnaer Ghetto geschrieben. Das Lied wurde zuerst in dem Theaterstück “ Di Yogennish in Fas” gesungen, später dann in Ghettos und Konzentrationslagern. Ein trauriges Stück, die Melodie habe ich schon öfter gehört, jedoch in immer veränderter Fassung. Für mich ist es zu flach.

Follow the Klezmer´s Light Und mal wieder ein Titel von Ora Bat Chaim. Dieser ist aber wirklich schön anzuhören. So langsam wie die ganze CD aber nicht monoton, sondern mit Unterstützung des NDR-Chor. Fällt unter die Kategroie: Interessant.

Zelbike Gasn ( Dieselben Strassen ) Den Text für diese traditionelle Melodie schrieb Kasriel Broyda. Leider ist von dem Text bei dieser CD nichts zu hören. Man hört auch die Instrumente kaum, wie bei vielen Titeln dieser CD.

Tsen Brider ( Zehn Brüder ) Martin Rosenberg schrieb diese Version als politischer Gefangener in Sachsenhausen. Während des Krieges wurde diese bekannte Melodie als Trauerlied umgeschrieben; mit anderen Texten. Es soll Parallelen zu “zehn kleine Negerlein” geben. Ich frage mich seit Monaten wo diese sein sollen. Die Lieder haben nun wirklich nichts miteinander zu tun, weder vom Text, Sinn noch von der Melodie. Diese Version des Liedes ist die schlechteste, die ich bis jetzt gehört habe. Ist leider die Wahrheit. Wer das Bedürfnis hat, sich die Melodie anzuhören, sollte sie in der Version von Massel Klezmorim anhören.

Sthiler, Shtiler ( Stille, Stille ) Alex Wolkoviski schrieb diese Melodie im Alter von 11 Jahren und gewann damit den ersten Preis bei einem Kompositionswettbewerb im Ghetto von Wilna. Shmerke Kaczerginski schrieb später den Text für dieses Lied. Der Text fehlt leider bei der Feidman Version.

Mir veln zey iberlebn, Ovinu Shebashomayim ( Wir werden sie überleben, Vater unser im Himmerl ) Eigentlich handelt es sich bei dieser Melodie um ein religiöses Werk namens “Laß uns wieder Freunde sein, Vater unser im Himmel !”  Durch einen Zwischenfall wurde der Text des Liedes zu einer Art Hymne der jüdischen Unvergänglichkeit. Die ganze Geschichte des Liedes ist sehr interessant aber wäre zu lange für eine einfache Liederbesprechung. Jedenfalls ein wirklich tolles Lied. Schade, daß nicht die ganze Platte wie dieses eine Lied ist.

Ikh benk aheym ( Ich sehne mich nach Hause ) Die Herkunft des Liedes ist nicht bekannt. Lediglich Leyb Rosental hatte einst den Text für dieses Lied geschrieben.

Ani Ma´amin / am Israel chai ( Ich glaube / Das jüdische Volk lebt ) Mal davon abgesehen, daß das Lied nicht erwähnenswert ist, basiert der Text auf den 13 Artikeln des Glaubens von Maimonides und drückt die Zuversicht auf das Kommen des Messias aus.

Kadish Dieses Gebet ist seit Jahrhunderten überliefert, die Melodien auf die es gesungen wird, richten sich nach dem Anlaß. Der Komponist dieser Version ist M. Jasenowsky, ein sehr erfolgreicher Songschreiber und Dirigent jüdischer Chöre. Mikhail Alexandrovich wurde 112 bei Riga geboren und galt bereits als Achtjähriger als stimmliches Wunder. Er ist einer der bekanntesten lyrischen Tenöre mir mehr als 6.000 Konzerten und 70 Schallplatten in Rußland.

Hatikva Ist die Nationalhymne Israels.

Fazit:
Eine absolut enttäuschende CD ! Ich bin der Ansicht, daß man höchsten 3 oder 4 Lieder der Platte anhören und verstehen kann. Es handelt sich meistens um Lieder ( Lied heißt für mich, das etwas gesungen wird ) die aber nur auf der Klarinette abgespielt werden. Viele Lieder haben wunderbare Texte die hier einfach unterschlagen wurden. Da die Aufnahme mit Hilfe des NDR Chors gemacht wurden, kann man erwarten, daß Lieder auch gesungen werden. So wie hier vieles dargeboten wird, kann man es einfach nicht anhören. Mehr will ich dazu gar nicht sagen, sonst ärgere ich mich weiter.

Bewertung:
1-schlecht

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