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Khupe
Heymisher

(Besprechung: Heiko Lehmann )

Khupe - Heymisher
YELLOWJACKET Music CD 010403

Das zweite Album des deutsch-holländischen Duos, das mittlerweile (nach Amsterdam und Bremen) in Berlin lebt. Es ist meist schwierig, nach einer ersten, hochgelobten Veröffentlichung eine zweite qualitativ ähnliche zu produzieren;
Khupe ist das ohne Zweifel gelungen, mehr noch: Heymisher übertrifft das Debütalbum.

Bereits der furiose Einstieg läßt erahnen, welch technische Präzision und Dynamik die Aufnahmen erwarten lassen. Christian Dawid und Sanne Möricke präsentieren sich als musikalische Einheit, und doch spürt man während des Hörens die starke Individualität der Musiker. Während noch auf dem Debütalbum Christian Dawid als Solist dominierte, gibt Heymisher beiden Musikern viel Raum, sich solistisch zu präsentieren, sich jeweils respektvoll und kongenial begleitend. Das Ganze auf hohem musikalischen Niveau.

 

Lieder:

  1. heymisher (1:58)
  2. freylekhs (3:33)
  3. tsu der khupe (6:06)
  4. d freygish (1:58)
  5. rumeynish (3:45)
  6. yikhes (4:15)
  7. boibriker (4:20)
  8. a freygish (1:06)
  9. nakhes (1:57)
  10. skotshne (1:10)
  11. grikhisher (1:43)
  12. moldover (2:55)
  13. khasene (1:36)
  14. reb yidl (1:37)
  15. kolomeykes (2:56)
  16. gliner (5:58)
  17. krokever (7:10)
  18. gute nakht (1:28)
 

Eine Duo-CD birgt stets die Gefahr, sich in den Arrangements zu wiederholen und auf den Hörer langweilig zu wirken. Khupe weiß das zu umgehen. Die Musiker gehören zum Besten, was jiddische Musik in Europa zu bieten hat (als international gesuchte Musiker spielten und spielen sie mit einer Reihe von major bands des sog. Klezmer-Revivals), sie verfügen über ein großes musikalisches Repertoire, das weise für die CD zusammengestellt wurde und auch Eigenkompositionen enthält.
Die Arrangements sind sorgfältigst erarbeitet, und die musikalische Dynamik von Khupe sucht ihresgleichen. Christian Dawids Spiel ist von tonaler und stilistischer Brillanz, seine Dynamik ist vielleicht mit der von Kurt Bjorling zu vergleichen, aber dennoch Dawids eigene.
Für Sanne Möricke gilt selbiges, man könnte statt Bjorling dessen Kollegen Alan Bern einsetzen, aber auch hier gilt es, Mörickes Eigenständigkeit zu betonen. Hinzu kommt ihre rhythmische Souveränität und ihr Einfallsreichtum der rhythmischen Begleitung. Allein Mörickes Umgang mit Rhythmus würde die CD zu etwas Besonderem machen, ihn im Zusammenspiel mit Dawids vorzüglichem Spiel zu erleben, hebt das Album von anderen ab.

Die Präzision, mit der Arrangement und Dynamik bei Khupe daherkommen, ließ mich beim ersten Hören befürchten, die Musiker befänden sich auf einer Suche nach dem Perfekten, Absoluten als philosophische Kategorien und somit letztlich auf existenziell diskussionsbedürftigen Pfaden. Diese Befürchtung stellte sich als grundlos heraus. Khupes Spielfreude und Humor hat sich - "lediglich" - auf eine höhere Ebene bewegt.

Beim ersten Hören vermißte ich zum eigenen Erstaunen etwas Hall auf der Klarinette, beim zweiten Hören konnte ich ihn missen. Die Mischung der Aufnahmen ist gut. Wie ich weiß, gab es bei der graphischen und druckgraphischen Fertigstellung der CD einige Probleme, und man kann sie sehen. Alan Berns liner notes zeugen von der Zerrissenheit und Positionssuche eines großen Musikers, wie auch von seiner Verbundenheit mit Dawid und Möricke; mit der CD haben sie nichts zu tun. Schlußendlich: nach dem letzten Track sollte man die Disc nicht anhalten.

Für mich das Album des Jahres.

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