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Schikker wi lot
burves

(Besprechung: Andreas)

Schikker wi lot - burves (2006)

Nach dem Konzert im Dezember 2004, damals noch im bestehenden Hackeschen Hoftheater in Berlin, ist nun die damals angekündigte CD erschienen. Lange habe ich auf die Erscheinung der CD gewartet, da ich bereits im Hoftheater von den Beiden begeistert war. Es ist eine Live Aufnahme, die ebenfalls im Hackeschen Hoftheater entstanden ist. Eine gelungene Mischung bekannter und weniger bekannter Stücke. Endlich ist es soweit, und die CD erfüllt die Erwartungen.


Die Besetzung:
Franka Lampe - Akkordeon
Fabian Schnedler - Gesang

 

Lieder:

  1. a kholem (3:48)
  2. odedsa mame (3:44)
  3. zol zayn (3:42)
  4. hora (3:57)
  5. burves (4:30)
  6. ikh benk nokh der east side (5:19)
  7. a malekh veynt (4:37)
  8. peysakh in portugal
  9. di zilberne khasene/esn est zikh (6:59)
  10. tsebay-zhe mir (5:40)
  11. di bitere khasene (3:33)
  12. tsomo lekho nafshi (3:57)
  13. man in a hat (7:21)
  14. azoy lang (4:20)
 

Kommentar zu einzelnen Stücken:

1. a kholem
Ein Stück an das ich mich noch sehr gut und gerne erinnere. Es wurde damals auch bei dem besprochenen Konzert im Hackeschen Hoftheater als erstes gespielt. Ein Klassiker, traditionell mit unbekannter Herkunft. Der "Traum" war oft von Oksana Sowiak zu hören, in einfacher Begleitung durch Anton Stingls Gitarre. Erstaunlich, was Franka Lampe mit Ihrem Akkordeon aus dem simplen Stück macht. Nicht langweilig und nicht eintönig wie oft zu hören - das Lied hat durch die Version von schikker wi lot eine richtige Melodie erhalten. Der heyser bulgar wurde eingebaut und fügt sich perfekt in das Stück. Fabian Schnedlers Gesang erinnert stellenweise an Michael Alpert von Brave old World, einfach perfekt und professionell. Das schönste Stück auf der Platte, eine unvergleichbare Version - besser geht es nicht mehr.

2. odedsa mame
Bekanntes Lied von Peysakh Burstein über die Stadt Odessa am schwarzen Meer. Eine weitere bekannte Versionen gibt es von der Klezmer Conservatory Band zu hören. Das Stück ist ebenfalls musikalisch sehr schön ausgearbeitet und nicht ein normaler Standard. Die Einleitung auf dem Akkordeon in das Stück ist von Nathan Nazaroff "vander ikh mir lustik" und passt bestens. Mit einem einzigen Instrument gespielt kann sich das Stück hören lassen - vergleicht man es mit anderen überladenen Versionen. Tolles Arrangement und schön gespielt.

3. zol zayn
...mag sein. Ein Stück von Yosef Papernikov, das man nur selten zu hören bekommt. Mir ist sind nur die Versionen von Sidor Belarksy und Jontef bekannt. Ein Stück aus den 20er Jahre mit vorwiegend Gesang. Das Akkordeon begleitet nur im Hintergrund, der Gesang dominiert das Stück. Hier wird klar, wie viel Potential hinter Fabian Schnedlers Stimme steckt. Toll gesungen. Ein nachdenkliches Stück, das mir besonders gut gefällt. Weniger ist manchmal mehr.

4. hora
Eine Hora auf dem Akkordeon gespielt. Das Stück ist schön gespielt, ist mir aber nicht bekannt. Die Musik ist von Carsten Schelp.

5. burves
"Barfuss" der Titel der CD. Text und Musik sind traditioneller Herkunft. Das Stück ist sehr schön gesungen und auch wie gewohnt professionell gespielt. Der Text ist knapp und kurz, ich habe das Stück zuvor noch nie gehört.

6. ikh benk nokh der lower east side
Ein weniger bekanntest Stück aus dem Repertoire von Alexander Olshanetsky, der Text des Stückes ist von Jacob Jacobs. Eine vergleichbare Version fällt mir nur von den Mazzeltones ein. Das Stück erzählt über die New Yorker East Side der 20er Jahre. Eine schöne Mischung aus Gesang und Akkordeon. In dieser Version sicher einzigartig.

7. a malekh veynt
Exzellente Variante des durch Lorin Sklamberg bekannt gewordene Stück "ein Engel weint". Das Stück stammt von Peretz Hirschbein und wird hier in zwei Versionen gesungen und gespielt. Die zuerst gespielte Version ist mir in Ihrer Art unbekannt, aber sie ist außergewöhnlich und enthält eine zusätzliche Strophe, die in Sklambergs Version nicht zu finden ist. Der zweite Teil des Stückes ist die von den Klezmatics bekannte Sklamberg Version. Ich denke, dass das Stück generell anspruchsvoll zu singen ist und auch von vielen Sängern gemieden wird. Die beiden Varianten von schikker wi lot gefallen mir ausgesprochen gut und sind wirklich außergewöhnlich.

8. peysakh in portugal
Ein interessantes Stück mit englischem und yidishem Text gemischt. Irgendwie typisch Mickey Katz, von dem auch der Text der Stückes stammt. Das Stück ist aus den 50/60er Jahren und ist gespickt mit homoerotischen Fantasien. Die Melodie zu diesem Lied ist von Raol Ferrao. Das Stück ist witzig arrangiert und einfach nett gemacht.

9. di zilberne khasene / esn est zikh
Das erste Stück "die silberne Hochzeit" ist ein schneller Freylakh, der einst auf Hochzeiten zu hören war. Dass Franka Lampe hier Instrument beherrscht ist bekannt, hier ein Beispiel dafür. Sehr schön gespielt, einfach ein klasse Stück. Das zweite Stück "esn est zikh" von Tuvia Balkin gab es bis jetzt nur von Lorin Sklamberg zu hören. Hier die Version von Schikker wi lot in ähnlicher Version. Es ist eigentlich ein Nigun, von Melodie und Gesang eher einfach gehalten.


10. tsebay-zhe mir
Traditionelles Stück, das auch den Namen "finfuntsvansiger". Ich kenne das Stück eigentlich unter dem Namen "bayt zhe mir oys a finfuntsvansiger.. in samerodne drayer". Es ist hier in einer völlig abgewandelten Version wiederzufinden, der Text des Traditionals ist gleich. Es ist professionell gespielt und gesungen, trotzdem kann ich mich mit dieser eigenwilligen Version nicht anfreunden. Weitere interessante Versionen gibt es von Francois Lilienfeld (dayne oygn) und Theodore Bikel. Das Stück trägt auch den Namen "Rumshi" oder "The twenty fiver".

11. di bitere khasene
Ein Lied mit traditionellem Text nach der Musik von Fabian Schnedler. Das tragische Stück beschreibt die Hochzeit in einer Kaserne und ist sehr gefühlvoll gesungen. Fabian Schnedler hat die Musik zu dem Text selbst geschrieben. Es ist sehr minimalistisch und einfach gehalten, aber dennoch absolut passend. Das Stück gefällt mir gut.

12. tsomo lekho nafshi
Ist ein hebräisch-ukrainischer Nigun. Der hebräische Teil des Stückes ist aus dem Psalm 63,2.
Der Nigun ist aus dem Repertoire des Lubavicher Chorus (Velvl Pasternak).

13. man in a hat
Ein Stück aus dem Repertoire der Klezmatics, gesungen auf englisch und yidish. Das Stück gefällt mir besonders gut, da es nicht übertrieben gesungen wird. Lorin Sklamberg sing das Stück in ähnlicher Version, jedoch viel schneller, mit typischem Klezmatics Background. Ist mal etwas ganz anderes für diejenigen, die die Klezmatics Variante kennen.

14. azoy lang
Sehr schön gesungenes Stück nach Text und Musik der Dichtering Beyle Schaechter-Gottesmann. Ein Lied über den Abschied, sehr schön und schlicht gesungen. Fast schon ein Sologesang. Das Lied gefällt mir ausgesprochen gut und ist ein schöner Ausklang der CD.


Fazit:
Ich habe gehofft, dass die angekündigte CD gut wird, aber sie hat meine Erwartungen noch übertroffen. Die Arrangements sind sehr schön ausgearbeitet, es finden sich eigentlich keine Standards auf der Platte. Alle Stücke sind absolut professionell gesungen und gespielt. Dass Franka Lampe eine perfekte Akkordeonistin ist habe ich gewusst, aber auch der Gesang von Fabian Schnedler hat mich überzeugt. Ich war von seiner Stimme bereits bei einem Konzert im damaligen Hoftheater in Berlin beeindruckt und ich denke, man wird von ihm künftig noch öfters etwas zu hören bekommen. Bei seinem Gesang ziehe ich etwas Parallelen zu Michael Alpert. Beeindruckt haben mich alle Arrangements. Man kann skeptisch sein, bei einer Platte mit Gesang und nur einem Instrument, aber hier kann man sich eines Besseren belehren lassen. Kein einziges Stück ist flach oder langweilig, das Akkordeon gibt den kompletten Background. Das hat mir am meisten gefallen. Das Booklet der CD ist äußerst aufwendig gestaltet und beinhaltet Informationen über jedes Lied. Die Texte sind natürlich auf deutsch und yidish YIVO enthalten. Die farbliche Gestaltung der Inhalte finde ich auch bemerkenswert. Platte und Booklet machen eine sehr professionellen und schönen Eindruck.

 

Bewertung:
Interpretation
Virtuosität
Spielfreude
Aufmachung

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