(Besprechung: Heiko
Lehmann)
Die politische Situation im westlichen Teil
Deutschlands
Nach Gründung der Bundesrepublik als
Teil der demokratischen westlichen Welt wurden die
Gründerväter sehr wohl von ihren neuen Verbündeten
skeptisch beobachtet. Viele trauten Deutschland die
Wandlung zur demokratischen BRD nicht zu. Der beginnende
Kalte Krieg und die Teilung Deutschlands erleichterten
es der Bundesrepublik zwar, als NATO-Bündnispartner
Anerkennung zu finden. Das Mißtrauen der westlichen
Gemeinschaft gegenüber dem ehemaligen Feind zweier
Weltkriege blieb jedoch lange Zeit bestehen. Andererseits
bemühte sich die Bundesrepublik sich um gute Beziehungen
zu Israel und begann mit Wiedergutmachungszahlungen
an den jüdischen Staat.
Nach dem Krieg, den die Deutschen noch
lange nicht verarbeitet hatten, tat es gut, als Partner
in ein Bündnis westlich demokratischer Staaten aufgenommen
zu sein. Der Marshall-Plan brachte der wirtschaftlich
ruinierten Bundesrepublik in sehr kurzer Zeit einen
relativen Wohlstand. Westdeutschland fing an zu prosperieren.
Langsam begannen die Partner der BRD ihr Mißtrauen
zu verlieren.
Die Deutschen fühlten, daß man ihnen den
Krieg nicht länger nachtrug. Nur die Greuel des Holocaust
blieben so etwas wie eine nationale Schande, das Kainsmal,
das man nicht wegwischen konnte.
Erste Schritte jüdischer Kultur
in der Bundesrepublik
Ich glaube, der große Erfolg von Esther
und Abi Ofarim in der Bundesrepublik (und in der DDR,
obwohl sie da nicht gespielt wurden) mit der politischen
Situation zu tun hat. Die beiden israelischen Künstler
sangen nicht nur hebräisch, sondern auch deutsch,
bezogen die ehemaligen Feinde ein, und dafür waren
ihnen die Deutschen, ganz abgesehen von der Qualität
ihres Vortrags, dankbar. Esther Ofarim brachte eine
Platte mit internationalen Kinderliedern heraus, mit
dabei auch ein jiddisches. Der Sänger Peter Roland
veröffentlichte eine ganze Schallplatte mit jiddischen
Liedern, meines Wissens das früheste Zeugnis westdeutscher
Beschäftigung damit nach dem Krieg.
Die 68-er
Und dann kamen die Achtundsechziger.
Die Ursprünge dieser mittlerweile stark nostalgisch
verklärten Bewegung der heute in Deutschland Herrschenden
begann durchaus ehrlich mit dem Nichtakzeptieren des
"Davon haben wir nichts gewußt" und der
daraus resultierenden aggressiven Frage an die Eltern
und Großeltern "Was habt Ihr eigentlich damals
gemacht?" Damit berührten die Fragenden nachhaltig
eines der Grundtabus der Republik, und das war das
eigentlich Revolutionäre dieser Bewegung. Damit hatte
es sich aber auch schon.
Studenten begannen, sich mit der Kultur
der Juden auseinanderzusetzen und den Leidensweg der
Juden durch die Lager zu verfolgen.
Motivation der Beschäftigung mit
dem Judentum
Es kristallisierten sich vage zwei Wege
der Beschäftigung mit dem Judentum heraus: der Versuch
der objektiven Forschung, sicherlich der schwerere,
und die von vornherein emotional positive Betrachtung
alles Jüdischen als Resultat eines Schuldgefühls.
Diese zwei Wege kreuzten sich im Laufe der Zeit viele
Male, und es konnte auch nicht anders sein, weil jeder
auch der Jüngeren, der Schuld in sich spürte, in Deutschland
damit allein war, denn ein kollektives Aufarbeiten
gab es nicht.
Anfänge jüdischer Musik in der BRD
In den siebziger Jahren erschien Zupfgeigenhansels
Platte mit jiddischen Liedern, und sie hatte einen
ganz entscheidenden Einfluß in beiden Teilen Deutschlands.
Das Bemühen von Erich Schmeckenbecher und Thomas Fritz,
dem Sinn und der Musikalität der Lieder nahezukommen,
war enorm, und das Ergebnis war für die damalige Zeit
sensationell; Man darf nicht vergessen, daß die beiden
damit Avantgarde waren.
Anfang der achziger Jahre wagte KAPELYE,
eine der ersten Klezmer-Bands des amerikanischen Klezmer-Revivals,
eine Deutschland-Tournee, und sie wurden gefeiert.
Ebenfalls Anfang der Achtziger holte Peter
Zadek den Klarinettisten Giora Feidman
für Joshua Sobols Stück "Ghetto" an die
Freie Volksbühne nach Berlin.
KAPELYE und Feidman erschlossen Deutschland
als Markt für sich und das gesamte amerikanische Klezmer
Revival. Besonders Giora Feidman sollte auf die später
entstehende eigene deutsche Klezmer-Szene von besonderem
Einfluß sein. Er schaffte es, die deutsche Szene in
seine und Anhänger der Bands des amerikanischen Revivals
zu spalten. Keine der beiden Seiten tolerierte Abweichungen.
Feidman etablierte die Form der Klezmer-Workshops
in der Bundesrepublik. Deutsche Musiker und Laien
beschäftigten sich unter Leitung des "Maestros"
mit Klezmer-Musik. Es entstanden die ersten Gruppen.
Meines Wissens war ESPE
(ohne den Einfluß Feidmans) in den achtziger Jahren
die erste Gruppe in der Bundesrepublik, die neben
jiddischen Liedern auch osteuropäisch-jüdische Instrumentalstücke
in ihrem Repertoire hatte. Vielleicht war es aber
auch die Berliner Gruppe KASBEK, die
neben ukrainischen und russischen Stücken auch jüdische
spielte. Und Manfred Lemm in Wuppertal begann seine
Beschäftigung mit dem Liedermacher Mordechai
Gebirtig. Überall begannen junge Musiker,
nach Osten zu schauen.Erwähnt sei hier auch die Hamburger
Band Bolshe Vita.
Klezmer
in der Deutschen Demokratischen Republik
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