Virtual Klezmer

David Krakauers Klezmer Madness
und DJ Socalled
KlezMORE-Festival am 3. 7. 2005

Besprechung (Günther Schöller)

Am 3. Juli startete das zweite KlezMORE-Festival in Wien mit einem Konzert von David Krakauers Klezmer Madness und DJ Socalled. Als Vorgruppe spielte die Gruppe Klezmer Connection aus Salzburg, danach gab es noch ein Set von DJ Socalled gemeinsam mit Hans Breuer, einem Sänger von jiddischen Liedern.

Kurz zur Salzburger Klezmer Connection: obwohl sie alle sehr gute Musiker sind, geht mir persönlich bei ihrer Musik ein wenig die jüdische Neshome ab, die Seele der Klezmer-Musik.

Aber nun zum Höhepunkt des Abends, David Krakauers Klezmer Madness und DJ Socalled. Vor kurzem habe ich mir die neue CD angehört, "Bubbemeises: Lies my grandma told me", und ich war ehrlich gesagt nicht so wahnsinnig beeindruckt. Vielleicht muß man sich das Album öfter anhören, bestimmt sogar, aber trotzdem glaube ich, dass das Konzept live besser funktioniert als auf Platte. Das ist zwar fast überall der Fall, aber kommt hier sicher noch stärker zum tragen. Vor einem Jahr war Krakauer und Socalled schon einmal gemeinsam auf Tour, und damals fand ich das Konzert klasse. So ging ich dieses Mal wieder mit großen Erwartungen hin, trotz der Platte, und wurde nicht enttäuscht.

Das Einleitungsstück war gleich das wohl bekannteste Stück von Krakauer, das auch schon auf mindestens zwei seiner Platten veröffentlicht ist, der Gasn Nign. Es ist ein Stück, dass man sehr häufig auch von anderen Gruppen hört und man könnte der Meinung sein, daß es nicht Krakauer auch noch spielen muß, aber genau das Gegenteil ist der Fall: gerade weil Krakauer zeigt, wie man das Stück auch anders spielen kann, ist es gut, dass er es macht. Hier beim ersten Stück spielte Socalled noch Klavier, ganz hervorragend übrigens.

Dann aber startete er seinen kleinen Drum-Computer und legte los. Ein mächtiger Drum-n-Bass, dazu ein Sample z.B. eines chassidischen Männerchores. Sogleich beginnt Krakauer einen Melodiefetzen zu spielen, wiederholt ihn, übernimmt Teile eines anderen Samples, das Socalled einspielt und es entspinnt sich ein kleiner Dialog, hin und her, dazu wummert als Hintergrund Klezmer Madness. Danach rappt Socalled, abwechselnd auf Jiddisch und Englisch, obwohl er, wie er später zugibt, Jiddisch gar nicht kann. Auch Krakauer lässt sich ein bißchen auf jiddischen Rap ein, im scheint es sichtlich Spass zu machen.

Gegen Ende des Sets, aber nicht des Abends, singt Krakauer gemeinsam mit Socalled das Aron-Lebedeff-Stück Rumania, Rumania, das aus einem Musical der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts stammt. Krakauer erzählt darüber, dass er und Socalled schon lange dieses Stück machen wollten, aber immer ein bißchen Angst hatten, nicht an das Original von Lebedeff heranreichen zu können. Der Text handelt von Rumäniens Schönheiten, gleichzeitig ging es zur Entstehungszeit des Stücks in Rumänien alles andere als gut zu. Von einem Klima der Angst und Verfolgung, von Einschüchterung spricht Krakauer, und er fühlt sich in Amerika in gewissen Tendenzen auch dieser Angst ausgesetzt, und in diesem Gefühl kann er das Lied dann spielen. Und wie er das kann!
Ein anderes Mal taucht an diesem Abend (oder war es bei der Zugabe?) ein Bulgar von Naftule Brandwein auf, der im Orginal schon virtuos ist, aber bei Krakauer und KM immer noch schneller wird, bei jeder Runde, wie beim Karusell. Alle gut festhalten bitte!

Vielleicht noch mal ein Satz zur Salzburger Klezmer Connection: obwohl sie teilweise das selbe Repertoire spielten wie später Krakauer, in gleicher Besetzung (cl, acc, b, dr, git, voc), und obwohl sie beim Publikum auch sehr gut ankamen, kam bei MIR nie die Lust zu tanzen auf, während ich bei Krakauer schon ab der ersten Nummer nicht mehr stillsitzen konnte.

Als dritter Akt dieser langen Klezmernacht, die von 20.15 Uhr bis ca. ein Uhr nachts ging, spielte der österreichische Sänger Hans Breuer gemeinsam mit nochmals DJ Socalled. Dazu kam noch eine türkische Perkussionistin aus Breuers Stammensemble. Socalled und Breuer spielen schon einige Jahre zusammen, beide verbindet die Liebe zu jiddischen Liedern, und die Lust, neben bekannten Nummern auch selbst Neue zu schreiben. Socalled ist der ideale Partner für Breuer, ein wunderbarer und sehr talentierter Begleiter am Klavier und Akkordeon (abseits seines Drum-Computers).

Als Socalled dann eine Bregoric-Nummer aus seiner musikalischen Zauberbox zog (er beherrscht übrigens wirklich ein paar Zaubertricks, dass nur nebenbei), konnte eine junge Frau aus dem Publikum nicht widerstehen und fragte Socalled, ob sie das Mikro haben könnte, um mitzusingen. Und, oh Wunder, die Dame hatte eine wunderbare Stimme.
Am Schluß kam auch noch Krakauer zurück auf die Bühne und spielte mit den beiden ein letztes Stück, um seinen Partner die Ehre zu erweisen und sich vom Publikum zu verabschieden.

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