Virtual Klezmer

klezmer.welten
Ausstellung
vom 5. Februar bis zum 13. April 2003

(Besprechung: Heiko Lehmann)

klezmer.welten
Ausstellung vom 5. Februar bis zum 13. April 2003

Ort: die flora, Referat Kultur, Gelsenkirchen-Mitte, Florastraße 26,
45875 Gelsenkirchen
Ruf: (0209) 169-9109
www.klezmerwelten.de

 

Mit der dem Projekt der Ausstellung "klezmer.welten" hatte sich die Stadt Gelsenkirchen ein ehrgeiziges Ziel gestellt:

  • Am Beispiel der Klezmermusik mit ihrer sehr langen Entstehungsgeschichte aufzeigen, dass Musik in der Alltagskultur bestimmte Funktionen erfüllt und wie sich diese Funktionen im historischen Prozess verändern.

  • Einen Einblick in den musik- und sozialhistorischen Hintergrund der Klezmermusik geben und ihren gesellschaftlichen Funktionswandel vom osteuropäischen Schtetl über die Emigranten in die USA und das länderübergreifende Revival beschreiben.

  • Mit dem Wissen über die Geschichte der Musik und ihrer Musiker das aktuelle Klezmerrevival in Deutschland verstehen. Dies geschieht mit der notwendigen Sensibilität gegenüber den Menschen, die durch die Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Kultur betroffen wurden.

  • Klezmermusik einen besonders ausgesuchten und gut gestalteten "Klang-Raum" geben und Klezmer-interessierten Menschen ein Forum für den Gedankenaustausch und das gemeinsame Lernen und Verstehen schaffen.

  • Ausgehend von dem Funktionswandel der Klezmermusik die weiterführende Frage nach der Bedeutung der Musik für Heimat- und Identitätsmuster in der Alltagskultur stellen.

Die Ausstellung bewegte die Gemüter bereits im Vorfeld, sei es wegen der rührigen Pressearbeit der Veranstalter (Referat Kultur der Stadt Gelsenkirchen) oder wegen der durchgesickerten Differenzen zwischen freien Mitarbeitern und dem Veranstalter. (So wurde die Zusammenarbeit zwischen dem Musikwissenschaftler Christoph Herrmann, einem auf dem Gebiet der sogenannten "Weltmusik" kompetenten Journalisten, und dem Referat Kultur vorzeitig beendet, weil beide Seiten gemeinsam keine Perspektive mehr sahen. Ein bedauerlicher Vorgang, im Rahmen solcherart Projekte allerdings nicht unüblich.)

Trotz allem ist die Ausstellung ein Erfolg geworden, und zwar ganz besonders für zwei Gruppen von Rezipienten: Menschen, die einen Einstieg in osteuropäische jüdische Musik suchen und solche, die ihre Kenntnisse darüber vertiefen wollen. Auf Tafeln werden zumeist übersichtlich einzelne Themenbereiche abgearbeitet, die eine Fülle von Informationen verschiedenster Herkunft bieten und den Versuch unternehmen, Klezmer-Musik bildreich und anschaulich aufzuarbeiten: Geschichte, Gegenwart, die verschiedensten Strömungen und Zentren (einschließlich Deutschland) werden übersichtlich nebeneinandergestellt, und dies alles in einer Fülle an Materialien, die wohl einmalig ist. Zusätzlich wird all dies untermalt von musikalischen Beispielen passend zu den Themen auf den Tafeln: jeder Besucher bekommt einen Minidisc-Player und Kopfhörer. Diese Fülle geht natürlich auf Kosten der kleinen Details: mittlerweile existieren über viele der einzelnen Bereiche und deren spezielle Unterbereiche eine Anzahl von Forschungsergebnissen, die sich untereinander oft widersprechen. Meines Erachtens war es eine richtige Entscheidung, die Ausstellung auf den Überblick zu fokusieren. Die Fülle an Informationen ist bereits hierbei kaum zu überblicken.

Und das ist auch das Manko der Ausstellung: man kann die Informationen nicht mit nach Hause nehmen. Es existiert kein Katalog, Besucher, die nicht aus dem speziellen Bereich Klezmer-Musik kommen, werden von der Masse der Informationen förmlich erschlagen und haben keine Chance, sich diese Informationen an Hand von Prospekten oder Katalogen noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Eine Ausstellung, die sich derart detailliert (und erfolgreich) einem Thema widmet, kann darauf nicht verzichten. Es wäre wünschenswert, wenn ein Katalog schnellsten nachgereicht werden würde. Er wäre nicht nur wichtig für die Ausstellung, sondern könnte ein eigenständiges und gutes Stück Literatur zum Thema werden.

"klezmer.welten" ist eine der ehrgeizigsten Unternehmungen, die es international auf diesem Gebiet gibt und gab. Sicher sieht man Details, denen man nur bedingt zustimmt, aber auf dem steinigen Weg der Forschung ist die Ausstellung ein Meilenstein, denn hier wurden, und das ist innerhalb einer oft zerstrittenen Szene nicht einfach, Forschungsergebnisse unterschiedlicher Individuen zusammengefaßt und miteinander koordiniert. Der Besucher profitiert davon.

Gewünscht hätte ich mir, wenn Punkt 5 der Zielstellung ("Ausgehend von dem Funktionswandel der Klezmermusik die weiterführende Frage nach der Bedeutung der Musik für Heimat- und Identitätsmuster in der Alltagskultur stellen") konsequenter berücksichtigt worden wäre.

© 2003 by Heiko Lehmann. All rights reserved.; Disclaimer
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