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Heiko Lehmann
Die Meistersinger von Dlugaszow

(Besprechung: Heiko Lehmann )

Heiko Lehmann:
Die Meistersinger von Dlugaszow

Ein musikalisches Hörspiel für Kinder, Rejsls Verheiratung zum Inhalt.

Die Platte ist nicht im offiziellen Handel zu erhalten, kann aber über folgende Kontaktadresse bezogen werden:

Misrach music
c/o Heiko Lehmann
Postfach 550212
10372 Berlin
Email: Heiko@klezmer.de

Die Besetzung:
Jürgen Trott,
Heiko Lehmann,
Claudia Koch,
Sergej Perskij,
Olaf Opitz,
und andere.

 

Heiko Lehmann schreibt über ” Die Meistersinger von Dlugaszow ”:

Als einer der zwei Betreiber des Kindermusiktheaters "Blasebalg", für das meine Partnerin und ich die Stücke schreiben, bekam ich vor ca. zwei Jahren den Auftrag, ein Stück für Kinder zu einer beliebigen ostjüdischen Thematik zu schreiben. Diesen Auftrag lehnte ich ab. Ich beschäftige mich seit zehn Jahren mit jiddischer Kultur, insbesondere mit Musik und Literatur, und auf Grund der immer wieder zu erlebenden Rezeptionsschwierigkeiten, die Erwachsene haben, schien es mir unmöglich, ein solches Stück für Kinder zu schreiben.

Dlugatschof
 

Die Idee ließ mich jedoch nicht los. Kinder in Deutschland haben keine Ahnung, was jüdisch überhaupt ist, ihnen gehen aber auch jene Berührungsängste ab, die Erwachsenen die Rezeption erschweren. Ich begann, das ganze als eine Chance zu sehen. Wenn man Kinder behutsam und unaufdringlich, spaßig, unterhaltsam und nicht oberflächlich in jüdische Kultur einführt, kann man sie möglicherweise vor den Blockierungen bewahren, die auftreten, wenn man jüdisch nur im Zusammenhang mit Holocaust kennenlernt.

 

Ich suchte nach einem Thema, dieses Anliegen zu transportieren. Mehrere Versuche wurden verworfen. Schließlich erkannte ich, daß man Muster nutzen sollte, die Kindern bereits aus Märchen bekannt sind, und ich entschied mich für das Muster Verheiraten: ein Mädchen soll heiraten, es gibt viele Bewerber, sie entscheidet sich für den in den Augen aller anderen Unwürdigsten und setzt diese Entscheidung auch durch.

Das Thema hat den Vorteil, Einblicke in jüdisches Alltagsleben zu geben, die verstanden werden können, ohne vorher Seminare darüber besuchen zu müssen.

In den bekannten Märchen, z.B. Grimm´s Märchen, werden die Bösen oft durch ihre Besonderheiten und Absonderlichkeiten, z.B. bestimmte Rituale, gezeichnet. Diese Klischees existieren über die Volksmärchen auch bei Kindern. Ich durfte nicht vergessen, daß die Mär vom bösen Juden Teil des Volksglaubens war. Deshalb habe ich weitestgehend darauf verzichtet, auf Details jüdischen religiösen Lebens einzugehen; es muß Kindern fremd und somit unheimlich erscheinen. Das Stück ist schließlich höchstens ein Anfang.

Jüdisches soll sich für die Hörer aus dem Kontext und der Musik erschließen, ohne die Musik als jüdisch zu klassifizieren.

  In einem Brief an die Redaktion schreibt Heiko des weiteren:

Offensichtlich hat es nichts mit Klezmer-Musik zu tun -- unter der Oberfläche aber doch ein wenig. Weil eben Klezmer-Musik für mich eine ganze Menge mit Jiddisch, der Religion und Osteuropa zu tun hat, dem Leben, aus dem sie entstanden ist. Obwohl man auch die Sprachen der Umgebungskulturen kannte, fand die "self-expression" in Jiddisch statt, musikalisch eben in, wie man heute sagt, Klezmer. Das habe ich bei "Rejsls Lied" angedeutet: der erste Teil ist nichts weiter als eine Doina (also ein Gebet), wie man sie sonst instrumental von Geige oder Klarinette kennt. In diesem Fall wird sie zwar gesungen, der Baß spielt und ornamentiert die Melodie aber parallell.

Mich hat einfach interessiert, ob man Kindern das Thema Judentum als Musical servieren kann, ohne daß es Ressentiments weckt und ohne daß es kitschig wirkt, aber trotzdem Spaß macht. Ich habe dafür länger gebraucht, als ich gedacht hatte; Kinder wissen nicht, was ein Jude ist, und wenn man´s ihnen lang und breit erklärt, langweilen sie sich und wollen dann nie wieder etwas davon hören. Also bleibt nur die Möglichkeit zu versuchen, über den Kontext zu arbeiten. Der Response, den ich bis jetzt bekommen habe, fast durchweg euphorisch, es gibt Kinder, die mir die Lieder vorsingen und von ihren Lieblingsfiguren (meist Balduin von Grütze) schwärmen.

Das Stück ist im Juli auf Radio Bremen gelaufen, ich will es aber auch noch auf die Bühne bringen, denn ursprünglich war es mal dafür gedacht.

© 2002 by Heiko Lehmann. All rights reserved.; Disclaimer
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