Virtual Klezmer

Mandy Patinkin
Mamaloshen

(Besprechung: Gus)

Mandy Patinkin - Mamaloshen
Nonesuch – 7559-79508-2

Amerikanern wird Mandy Patinkin aus soup-operas bekannt sein. Anläßlich eines Benefizkonzertes des YIVO-Institutes bat Joe Papp Patinkin das Stück Yosl, Yosl einzustudieren. „Du mußt diese Musik machen, das ist DEIN job“ sagte Papp und Patinkin gab sein Versprechen.

So steht es jedenfalls in den liner notes. Lassen wir es so stehen!
Mandy hat sich unter Anleitung von Musikethnologen und Musiker Henry Sapiznik ( Kapelye ) mit der jüdischen Sprache und Musik beschäftigt. Heraus kam ein ungewöhnliches, nicht zuletzt auch wegen der hohen Stimme Patinkins und seiner Art zu singen avangardistisches Werk in der Tradition des jüdischen Theaters und Kabaretts.
 
  Die Besetzung:
Mandy Patinkin (Gesang)
Eric Stern (Dirigent)
Paul Ford (musikalische Arrangements, Klavier)
The Zalmen Mlotek yiddisc Chorale
Orchester mit 32 Musikern (Violinen, Violas, Cellos, Bass, Holzbläser, Hörner, Trompeten,Posaunen, Harfe, Gitarre, Akkordeon, Keyboard, Trommeln und Schlaginstrumenten)

 

Lieder:

  1. Belz (3.19)
  2. Hey, Tsigelekh (3.07)
  3. Rabbi Elimeylekh (3.34)
  4. Raisins and Almonds (2.51)
  5. Papirosin (5.51)
  6. Ten Kopeks/ Superkalifragilisticexpialidocious/ the Hokey Pokey (2.19)
  7. Maira (2.30)
  8. Yome, Yome (1.06)
  9. Paper is white (2.36)
  10. Song of the Titanic (4.32)
  11. Motl the Operator (3.16)
  12. Under your white stars (2.21)
  13. American tune (4.17)
  14. Take me out to the ball game/ God bless America (2.08)
  15. Der alter Tsigayner/ White Christmas (3.57)
  16. Oyfn Pripetshik (3.59)
 

Kommentar zu einzelnen Stücken:

1. Belz – (Erinnerungen an die kleine Stadt Belz) ein Klassiker, den schon die Barry Sisters verstanden haben schnulzig zu singen. Hier gelingt die distanzierte ironisch schmalzige Art. Wenn man will, kann man die gesamte CD auch als Persiflage der Aufnahmen aus den 50ern sehen. Aber die Aufnahmen stehen auch ohne diesen Hintergrund.

3. Rabbi Elimeylekh - (Ein Rabbi betrinkt sich, macht Musik) das an sich schon schnulzige (wahrscheinlich auch deswegen so beliebte und oft gespielte) Stück übertrieben schmalzig. Als Verhanepeppelung akzeptabel, hart an der Grenze. Erinnert ein wenig an die Version von Mani Ovadia („Dybbuk“ von 1995)

4. Raisins and Almonds – (Eine Mutter wiegt ihr Kind, ihm Gutes wünschend) ebenfalls ein in den 50er Jahren beliebtes Stück - von der damals beliebten Cocktailmusik inspiriert (siehe Johnny Conquets Aufnahmen). Eines der besten Stücke der CD.

 

5. Papirosin - (Ein Junge verkauft Zigaretten, um im Krieg zu überleben) viel gespielter Standard. Gut gelungene Persiflage auf das oft zu pathetisch gesungene Stück. Ironie durch Übertreibung.

6. Ten Kopeks (Ein Typ wünscht sich 10 Pfennige, um sein Mädchen bezaubern zu können) /Superkalifragilisticexpialidocious/ the Hokey Pokey - Musicalassotiationen u.a. aus Marry Poppins. Eindeutig der Höhepunkt und die Essenz der CD. Hier kommt der Theatercharakter am besten zum Ausdruck, kongenial durch die Stück-Wechsel, das Geschrei und die flotte Musik.

7. Maira - (Mayn Mirl) ruhiger Ausgleich zu vorangegangenem Stück.

8. Yome, Yome - (Eine Mutter fragt ihre Tochter: Was wünscht Du Dir?) Ebenfalls eine wunderschöne Interpretation.

9. Paper is white - (Dem wunderbarsten Mädchen der Welt.) Dieses Stücke kenne ich nicht, hat aber einen schönen Text und auch bei der Melodie wird es einem warm ums Herz.

10. Song of the Titanic - (Verlorene Liebende, die sich dagegen wehren, getrennt zu werden, fragen Gott nach dem Warum.) Patinkin im Duett mit der Sängerin Judy Blazer. Melodramatisch wird das Titanic-Unglück aufgearbeitet. Weder der Text noch die Melodie kann mir gefallen. Das Stück ist mißlungen, einfach greulich. Es zeigt, wie schwierig die Gradwanderung zwischen Kitsch und Parodie ist.

11. Motl the Operator - (Ein Schneider, in einer Textilfabik schuftend, um seine Familie zu ernähren, kommt bei einem Gewerkschaftsstreik ums Leben.) Der ultimativen Aufnahme des Stückes von Kapelye wird nicht versucht nachzueifern. Stattdessen eine Musical- Version.

12. Under your white stars - (Ein Holocaust-Lied). Mißlungen!

14. Take me out to the ball game/ God bless America - (Ein Lied über Amerika) Pathetisch gesungene Ode auf Amerika. Für Europäer eindeutig zu amerikanisch. Da schüttelts einen! Grausam.

 

15. Der alter Tsigayner/ White Christmas - (der alte Zigeunergeiger spielt ein unvergessliches Lied: Weisse Weihnacht) Eines der schwächeren Stücke der CD. Schlecht und überflüssig.

16. Oyfn Pripetshik - (Kinder lernen ihr Alphabet) Durch den Film “Schindlers Liste” bekannt gewordenes Stück.


Fazit:
Orchestrale pompöse Theater-Musik kongenial arrangiert und gesungen, oft schwer an der Grenze zum Kitsch. Ironie durch Übertreibung. Meist liegt genug Augenzwinkern in den großteils traditionellen Stücken, (gelegentlich gelingt die Gradwanderung aber auch nicht). Diese CD ist ein besonderes Schmankerl für jeden Liebhaber jüdischer Musik wie sie in den 50er und 60er Jahren gespielt wurde, aber auch für den, der mal etwas abseits der üblichen Klezmer-Pfade wandern will.
In den liner notes findet sich eine (zum Stil der Lieder passende - übrigens deutsche) Einführung von Mandy und der Text aller Stücke auf jiddisch und Deutsch! Sehr schön gemacht.


Bewertung:
 Interpretation
 Virtuosität
 Spielfreude
 Aufmachung

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