Die Braut unter die Haube bekommen
Budowitz im Gasteig München
Budowitz gehört zu jenen modernen
Klezmer-Ensembles, die deshalb modern sind,
weil sie so altmodisch sind.
Während unzählige neue Klezmer-Ensembles in
die Szene drängen, die Klezmer mit Jazz, Klassik
oder Rock vermengen und viele „neue“ Klezmerrichtungen
eingehen, macht Budowitz die Reise mit der Zeitmaschine
ins 19. Jahrhundert: Back to the roots.
Im Münchner Gasteig erklangen jene
Hochzeitslieder, die in Osteuropa vor, während
und nach einer jüdischen Hochzeit erklangen
und sie erst zu einer richtigen Hochzeit machte.
Denn was gibt es langweiligers als eine Hochzeit
ohne Musik?
Es waren also jene Lieder, die die umherziehenden
jüdischen Musiker, im Jiddischen „Klezmorim“
genannt, in- und vor allem- auswendig spielten,
um die Braut unter die „Chupe“ zu bekommen,
wovon das hochdeutsche Wort „Haube“ abgeleitet
ist.
Der musikalische Kopf des Quintetts,
Joshua Horowitz, führte das Publikum in die
rumänischen Doinas, Sirbas oder in die als „Bulgars“
bekannten, ungeraden Rhythmen Osteuropas ein.
Was auch immer aus Galizien, Bessarabien oder
der Bukowina an Rhythmen tradiert wurde, hat
der Musikethnologe Horowitz in den letzten Jahren
gesammelt und ausgewertet.
Der eigentlich Witz bei Budowitz ist aber nicht
nur die atemberaubende Darbietung der „Schtiklech“,
sondern die Instrumentierung des Ensembles.
Horowitz ist einer der wenigen Meister auf einem
Instrument, das von kaum jemanden gespielt und
von noch weniger richtig gespielt wird: Die
Tsimbl. Eine modifizierte, nach Plänen aus dem
19. Jahrhundert rekonstruierte, Hackbrett-Version,
die angeblich jüdische Einwanderer nach Rumänien
brachten und die charakteristisch für den damaligen
Klezmer-Sound wurde.
Im Duett mit Zsolt Kürtösi am Bassetl,
ein Art Cello, das man wie eine Gitarre umhängt,
zeigte Horowitz wie man die traditionellen Themen
filigran modifizieren kann - wenn man es denn
kann. Von weniger virtuosen Könnern oftmals
nur als Hintergrundbegleitung benutzt, zeigte
Klezmer Horowitz, wie man Melodien darauf spielt
und sich gleichzeitig mit Akkorden begleitet.
Und mindestens ebenso virtuose Töne
entlockt der Amerikaner seinem Knopf-Akkordeon,
das im Gegensatz zu den heute verwendeten Modellen,
etwas leiser und damit auch weicher klingt.
Im Ensemble dominierte lautstärkemäßig meist
die C-Klarinette von Christian Dawid. Während
die meisten Gruppen mit B- oder gar A-Klarinettisten
arbeiten, hält sich auch hier Budowitz an die
historischen Instrumentenvariation. In seiner
Urform klingt die Klarinette etwas von den Höhen
dominiert und somit auch dominanter, was leider
auch zur Folge hatte, dass die erste Geige (Tamás
Gombai) in dem ohne technische Verstärkung dargebotenem
Konzert etwas unterging.
Was aber nicht heißen sollte, dass eine Anlage
vonnöten gewesen wäre, ganz im Gegenteil: Nichts
wirkt näher, direkter und vom Klang authentischer
als ein Instrument ohne technische „Verzauberung“.
Die Akustik des kleine Konzertsaals unterstützte
jedenfalls die Gesamtwirkung des Konzertes.
Und mit noch einem Instrument ging Budowitz
„back to the roots“: die dreisaitige Bratsche,
die sich Sándor Tóth nicht unters Kinn klemmte,
sondern an die Schulter presste und mit kurzen
Staccato-Strichen den Rhythmus des Cellos unterstützte.
Auch diese Technik haben viele Geiger und Bratschisten
in der heutigen Klezmerszene nicht übernommen.
Herrlich unprätentiös und harmonisch
verlief die Kommunikation auf der Bühne und
mit den diffizilen Übergänge zwischen den einzelnen
Soli und den folgenden Themen verblüffte das
Ensemble nicht nur Laien. Nichts hätte den Abend
besser widergespiegelt als der Titel ihres aktuellen
Albums „Wedding
without a bride“
Die Kapelle war exzellent, aber
wo war die Braut der Hochzeit?
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