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von der Khupe zum KlezKamp
1. Shvaygn = Toyt
Warum Klezmer-Musik in New York?

Warum Klezmer-Musik in New York?

Meine erste Begegnung mit Klezmer-Musikwar eigentlich rein zufällig. Vor zehn Jahren schenkte mein Bruder mir eine CD zum Geburtstag. Sie hieß “Shvaygn = Toyt” und stammte von einer Gruppe, die sich “the Klezmatics” nannte. Nach dem ersten Anhören dachte ich: diese Musik klingt irgendwie vertraut, eigentlich sogar irgendwie bayerisch. Es sind viel Klarinette und Geige, ein Walzer und sogar ein richtiger bayerischer Zwiefacher auf der CD eingespielt.

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Ich fand Gefallen an der gleichzeitig vertraut und fremdartig klingenden Musik und wollte herausfinden, was sich hinter dem Namen der Band versteckte. Aus dem Beiheft wurde klar, daß “the Klezmatics” eine New Yorker Band ist, die hier traditionsreiche jüdische Musik aufgenommen hatte, die als “Klezmer-Musik” bezeichnet wurde. Wieso aber rührte mich diese sogenannte “Klezmer-Musik” so unmittelbar an? Ich begann mich nach weiteren Hintergründen zu erkundigen und fand tatsächlich eine Erklärung für meine Reaktion.

Klezmer-Musik hat sich in Osteuropa als Begleitung der Hochzeitsfeierlichkeiten der Aschkenasim, den Jiddisch sprechenden Juden, entwickelt. Ihre Reise ging im Mittelalter ursprünglich von Deutschland aus. Durch ihre Verbreitung auf weite Siedlungsgebiete im östlichen Europa bis hin zu den jüdischen Ghettos des neunzehnten Jahrhunderts und anschließend durch die jüdische Massenemigration nach Amerika hat sie zahlreiche Veränderungen erfahren. Viele Elemente mischten sich über Jahrhunderte der ursprünglichen Musik bei, unter anderem rumänische, griechische, polnische, russische und eben auch deutsche. Die Texte der Lieder von “Shvaygn = Toyt” kamen mir ebenfalls nicht ohne Grund vertraut vor. Jiddisch, die Alltagssprache der Aschkenasim, hat sich aus dem Mittelhochdeutschen entwickelt, stark versetzt mit hebräischen und slawischen Worten und regionalen Dialekten. Bei genauerem Hinhören sind viele Worte verständlich.

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Ich hatte damals gerade angefangen, Musikethnologie an der Freien Universität Berlins zu studieren und Klezmer-Musik wurde zu einem meiner Hauptforschungsthemen. Zu meiner Überraschung stellte ich zu Beginn meiner Recherchen fest, daß in Deutschland bereits eine rege Klezmer-Szene existierte. Wenn man in Berlin die Veranstaltungskalender durchsieht, findet man bis heute fast täglich ein oder sogar mehrere Konzerte, die unter “Klezmer” angekündigt werden. Eine regelrechte Klezmer-Welle hat Deutschland seit Mitte der achtziger Jahre durchzogen.


Der erste Künstler, der bei uns Klezmer-Musik auf die Bühne brachte, war in den frühen achtziger Jahren der Klarinettist Giora Feidman. Er hat mit seiner besonderen Interpretationsweise durch zahlreiche Konzerte und Workshops die deutsche Klezmer-Szene bei Publikum wie Musikern nachhaltig geprägt. Im Laufe der Jahre hat er einen sehr persönlichen Klarinettenstil entwickelt, der nur ursprünglich von Klezmer-Musik ausging. Er verbindet seine Musik inzwischen stark mit spirituellen Inhalten und hat sich beträchtlichen internationalen Erfolg erspielt. Für viele blieb er lange der erste und einzige Kontakt zu Klezmer-Musik.

Gegen Ende der achtziger Jahre wurden erstmals Klezmer-Gruppen aus den USA, unter ihnen auch the Klezmatics, zu Konzerten und Festivals nach Deutschland eingeladen. Ihre Musik klang anders als die von Giora Feidman. Lauter, wilder, frecher kamen sie daher: junge, amerikanische Musiker unterschiedlichster Herkunft, aber mit einer gemeinsamen Musik. Sie waren von dem Interesse das ihnen hier entgegenschlug ebenso überrascht und fasziniert wie das Publikum von ihnen. Jüdische Kulturtage, Festivals jüdischer Musik, Konzerte, Musik- und Tanzworkshops brachten mehr und mehr Gruppen über den Ozean nach Europa. Ein reger Austausch begann.

Fasziniert von der Musik besuchte ich jedes Konzert, Seminar und jeden Tanzworkshop, die besonders in Berlin reichlich stattfanden. Mit der Zeit bekam ich immer mehr den Eindruck, daß in den USA Klezmer-Musik etwas anderes bedeutete als in Deutschland. Die Musiker sprachen von einem “Revival” der musikalischen Traditionen aus Osteuropa. Viele von ihnen spielten nicht nur die Musik, sie waren auch mit reger Forschungsarbeit beschäftigt. In Gesprächen mit ihnen begann ich zu erahnen, daß es hier nicht nur darum ging gute Musik zu spielen. Wie verwoben und vielschichtig die Klezmer-Tradition, ihre Hintergründe und gegenwärtigen Zusammenhänge sind, sollte mich immer wieder überraschen.

Die Gründe für Anfänge und Auswirkungen dieses “Klezmer-Revivals” interessierten mich immer stärker. Wer steckte hinter diesem “Revival” und worum ging es dabei? Meine Suche nach Texten, die meine Unklarheiten beantworten könnten, blieb bis auf ein paar kurze Artikel erfolglos. Auf meine vielen Fragen fand ich in Berlin keine Antworten und mir wurde klar, daß ich sie in den Staaten selbst suchen mußte. Kurzentschlossen machte ich mich auf den Weg und verbrachte mehrere Monate zur Recherche in New York.

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