Das erste Klezmer-Konzert, das ich in
New York besuchte, stellte meine unbewußten
Erwartungen sofort auf den Kopf.
Es war ein kleines Festival jiddischer
Musik mit mehreren Gruppen, darunter zwei
Klezmer-Bands, das in einem etablierten
Konzertsaal mit klingendem Namen stattfand.
“Symphony Space” liegt inmitten einer
der traditionellen jüdischen Wohnviertel
Manhattans, der “Upper West Side”, und
faßt an die 800 Zuschauer. Zu meinem großen
Erstaunen fand sich an jenem Sonntagabend
ein Publikum ein, das zum größten Teil
aus Siebzigjährigen und Älteren
bestand. Die verschiedenen Gruppen und
Sänger wurden mit großem Enthusiasmus
begrüßt und voller Begeisterung klatschte
und sang das agile Publikum mit, in dem
sich ein paar Familien mit Kindern fast
verloren vorkommen mußten. Aus Berlin
kannte ich eine bunte Mischung mit vielen
kunstbewußten und musikbegeisterten Konzertbesuchern
jeden Alters, aber mit einer Überzahl
an Jungen. Hier in New York wurde offensichtlich
ein ganz anderes Publikum von der Musik
angezogen.
Aus Gründen der Einfachheit, wie ich
dachte, begann ich mit der Suche nach
einer Definition von Klezmer-Musik. Dummerweise
bekam ich ebenso viele unterschiedliche
Antworten, wie ich Fragen stellte und
so wurde selbst das Bild der Musik an
sich immer verworrener. Häufig mischten
sich in meine Gespräche mit Musikern Fragen
über jüdische Identität mit Diskussionen
über melodische Verzierungstechniken.
Verwirrend und interessant waren schon
die Antworten auf die Frage, was der Begriff
“Klezmer-Musik” bedeute. Für den Einen
ist es ein fest umrissenes Repertoire,
für den Nächsten einfach nur Tanzmusik,
für den Dritten eine “Art und Weise” wie
eine Melodie gespielt wird, sozusagen
eine “Gefühlssache”. Henry
Sapoznik,
einer der Wegbereiter des “Klezmer-Revivals”,
geht sogar soweit zu sagen: “I
think klezmer is the most relevant thing
that Yiddish culture has to the outside
world right now.” Aber nicht alle
Aschkenasim in den USA scheinen Klezmer-Musik
so enthusiastisch gegenüber zu stehen.
Eine Jiddisch Lehrerin des reformistisch-jüdischen
“Workman’s Circle” in New York setzt entgegen:
“Klezmer-music is like pickled
herring and sauerkraut.” Sie empfindet
die Musik als ein profanes, billiges,
ein zum vereinfachten Symbol einer komplexen
Kultur reduziertes Nostalgieobjekt. Schon
anhand dieser beiden gegensätzlichen,
aber gleichermaßen emotionalen Ansichten
wird klar, daß Klezmer-Musik mehr ist
als nur eine bestimmte Form der Aneinanderreihung
von Tönen.
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