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2. Klezmology
Phrasierung / Ornamentierung

   

Phrasierung/Ornamentierung

Die instrumentale hat mit der vokalen aschkenasischen Musik neben dem Tonsystem auch die grundlegende Ästhetik der Verzierung und Ausarbeitung eines einfachen Melodiegerüsts gemeinsam, was man allgemein unter den Begriffen Phrasierung oder Ornamentierung zusammenfaßt. Bestimmte klangliche Elemente tauchen immer wieder auf und haben ihren Ursprung in den emotionsgeladenen synagogalen Gesängen. Das in vielen literarischen Vorlagen beschriebene Schluchzen, Seufzen und Weinen, das kunstvolle Verzieren der Melodie durch Geige oder Klarinette wird von Klezmorim mit den jiddischen Begriffen Krechz, Dreidlech, Tschok, Kneitsch oder Kwetsch umschrieben. Es sind allerdings nicht nur die Elemente selbst, die für die Musik bezeichnend sind, sondern vor allem wie ein Musiker sie einsetzt.

Grundsätzlich kann man feststellen, daß Melodien bevorzugt staccato und nur in bestimmten, meist kurzen Passagen legato gespielt werden. Man setzt die Töne nicht immer genau auf den Rhythmus, sondern spielt die Melodie ein wenig zu schnell, so daß eine rhythmische Spannung zwischen Melodie und Metrum entsteht. Dasselbe macht man mit schnellen kurzen wie langen Trillern. Sie werden entweder auf langen Noten innerhalb einer Phrase metrisch gesetzt, oder, vor allem am Ende einer Phrase, auch gegen das Metrum.

Ein besonders häufiges Klezmer-Element sind “triolenartige” Figuren von Achtelnoten. Diese werden entweder gleich lang gespielt und gleich stark betont oder, wie bei osteuropäischen Musikern üblich, als “unechte” Triolen in zwei Sechzehnteln und einem Achtel zusammengefaßt.

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Vor allem in der osteuropäischen Spielweise wird ein kurzes und prägnantes Vibrato bevorzugt und eher sparsam eingesetzt. Ein breiteres Vibrato findet man bei einigen, besonders den vom Jazz beeinflußten amerikanischen Klezmorim. Häufig werden Noten auch bei Aufwärts- oder Abwärtsbewegungen der Melodie in Form eines Glissando verschliffen, z.B. auf der Geige mit demselben Finger gerutscht.

Langangehaltene Noten werden manchmal auch vom Grundton aus bis zu einer Terz nach unten verzogen und gegen Ende der Bewegung wieder auf den Grundton zurückgeführt. Bei kürzeren Noten wird gerne eine umgekehrte Bewegung vollführt, die ganz kurz gehalten ist und wie ein “Zwitschern” klingt. Viele Musiker empfinden dieses “Zwitschern” als ein besonders bezeichnendes Klezmer-Element. Daher verstehen manche unter Begriffen wie Krechtz u.a. insbesondere diese Verzierungstechnik. Sie ist besonders bei Abwärtsbewegungen einer Melodie zu finden, geht meist über eine Terz nach oben und in einer Sekunde nach unten zurück, kann aber auch einen Tonumfang von bis zu einer Quinte umfassen.

Auf die Frage hin, was in der Klezmer-Musik für einen Lernenden am schwersten zu hören sei, wurden immer wieder die Phrasierung, das richtige Einsetzen von den eben beschriebenen melodischen Ornamenten genannt.

    “To try to figure out both how to do some of these embellishments but more importantly why to do these embellishments. So the `how´ is the first step but then the `why´ is much more difficult. I think the `why´ is nothing you can explain to another musician. After a certain amount of time it will happen or it won’t happen.” (Interview Waletzky)

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Viele Diskussionen beziehen sich besonders bei Musikern untereinander auf ebendieses Thema, denn jeder bringt seine Erfahrung und eigene Ästhetik mit ein. Jeder Musiker geht anders mit den Elementen um, bzw. erfindet neue dazu. Die verschiedenen Generationen von Klezmorim, die heute aktiv diese Musik spielen, haben jeweils andere Ideale. So bediente man sich in Osteuropa stark der verschiedenen Ornamentierungstechniken, um nach dem Vorbild des gefühlsbetonten synagogalen Gesangs, eine möglichst emotionsreiche Interpretation zu erreichen. Ab den dreißiger Jahren in den USA hingegen reduzierte man sie auf ein Minimum, die Wahrnehmung hatte sich verändert und man wollte, den Assimilierungsprozessen folgend, den “aufdringlich jüdischen” Klang vermeiden. In den letzten Jahren sind viele der jüngeren Musiker wieder zu einer verzierungsreichen Interpretation von Melodien zurückgekehrt.

    “There is a certain accepted style, ‘cause I’m talking 30 years ago, I don’t know what they accept now. That used to be Dave Tarras style, he did some lip-glissandos and when I was studying my father told me: don’t play like this you’ll sound like a klezmer. As I got older I started doing a little of that myself, but I would get hit if I slid up the note. So who knows what’s right, what’s wrong.” (Interview Marty Levitt)

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