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Die erste Phase des Klezmer-Revivals

   

Die Erste Phase des Klezmer-Revivals

 


Zu Beginn des Klezmer-Revivals
war keinem klar, wohin die Reise gehen würde. Es gab keinen eindeutigen Markt für die Musik. Der größere Teil der amerikanischen Aschkenasim kann sich bis heute nicht mit der jiddischen Kultur identifizieren. Nur ein kleiner Kreis intellektueller Kulturschaffender, die wenigen jiddischen Haushalte und die wenigen Überlebenden der Einwanderungszeiten zeigten von Anfang an Interesse am Wiederauftauchen von Klezmer-Musik.

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Die drei Pionierbeispiele haben bei allen Unterschieden doch einige Gemeinsamkeiten: Die meisten Musiker hatten sich, im Einklang mit dem damaligen Zeitgeist, schon in irgendeiner Form mit ethnischer Musik beschäftigt, ehe sie sich der Klezmer-Musik zuwandten. Das Engagement für Klezmer-Musik entstand bei allen aus einem persönlichen, unzweckmäßigen Antrieb heraus, der zu Anfangs keineswegs erfolgsversprechend schien. Sapoznik erzählt, wie er mit dem Gefühl lebte, in einem Vakuum zu arbeiten, bevor er von den Klezmer-Aktivitäten an der Westküste der USA erfuhr. Anerkennung für seine Arbeit erhielt er erst viel später und zu Anfang wußte keiner der Pioniere inwieweit oder in welche Richtung ihre Anstrengung fruchten würde.

    “So people at the beginning had to make a personal statement which was irrational and illogical ‘cause there was no evidence that doing this would produce any result - except a personal result.” (Interview Sapoznik)

Das anfängliche Herantasten an die Musik war - und sollte es auch einige Zeit bleiben - bei allen ähnlich. Die Musiker suchten ein musikalisches Vorbild, das möglichst nahe an die osteuropäische Tradition herankam. Durch die kulturellen und politischen Wirren der sechziger und siebziger Jahre war die existierende jüdisch-amerikanische Kultur der jungen Generation fremd geworden. Anstatt die noch Lebenden als Lehrer zu suchen, wandte man sich an die zeitlich am weitesten entfernte (und dadurch als besonders authentisch empfundene) Quelle: Die im ersten Drittel des Jahrhunderts in ansehnlichen Zahlen aufgenommenen Schellackplatten. Sie waren wertvolle Informationsträger für Klezmer-Musik, und fanden sich entweder im eigenen Haushalt der Eltern und Großeltern oder in einschlägigen Institutionen. Man sah in ihnen die Verbindung zu einer verloren geglaubten musikalischen Sprache. Die alten Aufnahmen erschienen wie ein Äquivalent von “3 minute musical Rosetta Stones”. Die Musiker vertieften sich in die verkratzten Aufnahmen, analysierten sie, und begannen sie zu imitieren. Sie versuchten einen möglichst “authentischen” Klang zu finden und zu reproduzieren. Mit der Zeit verinnerlichten die jungen Klezmorim die Elemente der musikalischen Sprache und begannen ihren eigenen Weg innerhalb und außerhalb dieser Grenzen zu suchen.

    “Into the early 1980s, the klezmer repertory consisted mainly of meticulously reconstituted arrangements as close as possible to those on the early shellacs (...) In retrospect, however, this preoccupation with fidelity can almost be seen as a training exercise, in which a vocabulary of (...) words and phrases, so to speak, has been internalized.” (Dion 1992:54)

In dieser Anfangsphase des Klezmer-Revivals fand eine wichtige Veränderung der osteuropäischen Tradition statt. Klezmer-Musik, die vormals als eine rein funktionale Musik eng im Zusammenhang mit dem Hochzeitsfest stand, wurde in den siebziger Jahren als Inszenierung präsentiert. Es wurde zwar hin und wieder angedeutet, daß Klezmer-Musik schon früher in Konzerthallen und Nachtclubs gespielt worden sei. Auf konkretere Nachfrage wurde aber immer verneint, daß dort ein reines Klezmer-Repertoire in Form einer Show aufgeführt wurde. Dieser Aspekt war im Klezmer-Revival neu. Die Gruppen stellten ihre Interpretationen der Musik in einer genau einstudierten Gesamtform auf einer Konzertbühne vor einem sitzenden, zuhörenden Publikum dar. Nicht selten wurden die Zuhörer dann doch von der Begeisterung der Bands so mitgerissen, daß sie spontan zu tanzen anfingen ohne auch nur einen der traditionellen Schritte zu kennen.

    “As the band cranks up the tempo, dozens of people break into an impromptu hora, the standard circle dance for countless Jewish weddings. Others kick their legs in the style of the Mexican hat dance. Still others simply run in the place to the beat. A few middle-aged couples try to polka, carefully avoiding crashing into a younger pair who are swinging each other around like square dancers. An elderly gentleman drops into a squat to do a half-dozen kazatskies, in the style of a retired cossack. Nearby a group of youngsters fall into a heap after a fast-paced ring-around-the-rosey, while the rest of the 400 concert goers clap to the music (...) Although few of the klezmer’s fans understand the music’s Yiddish lyrics and even fewer know the right dance steps, they are embracing klezmer for its unusual mixture of foot-stomping energy and piercing soulfulness.” (Davis:1983)

Bald begannen einige der jungen Ensembles die Musik wieder auf Parties oder Hochzeitsfeiern zu spielen, meist auf Grund einer konkreten Einladung nach einem Konzert. Das Duo Feldman/Statman waren mit die ersten, die eine bewußte Strategie entwickelten auf Hochzeiten aufzutreten und die Musik wieder in ihren ursprünglichen funktionalen Zusammenhang zurückzubringen. Im späteren Verlauf des Revivals wurde dieser Aspekt immer wichtiger.

Bis in die Mitte der achtziger Jahre hatten sich die genannten Pionierbands etabliert und fanden immer größere Wirkungskreise. Kapelye trat in der Hollywood Filmproduktion “The Chosen” auf und erreichte so ein breites Publikum. Im Jahre 1984 waren sie die erste Band, die auf Europatournee gingen. Im gleichen Jahr hatten The Klezmorim ihr vielbeachtetes abendfüllendes Konzert in der ausverkauften Carnegie Hall in New York. 1985 fand das KlezKamp zum ersten Mal statt und sollte schnell zum wichtigsten Forum für Klezmer-Interessierte werden. In allen Teilen der USA begannen sich mehr und mehr Bands zu formen und mit Klezmer-Musik auseinanderzusetzen.

Zu dieser Zeit wußten die Musiker noch fast gar nichts über die historischen Entwicklungen und Zusammenhänge von Klezmer-Musik. Es gab kaum Material, das für sie unmittelbar zugänglich war. Einige von ihnen machten sich daher an das systematische Erschließen existierender Archive. Sie suchten und fanden eine überraschend große Gruppe von Klezmorim, die noch die Anfänge des Jahrhunderts miterlebt hatten und ihre Sicht auf die Geschichte weitergeben konnten. Durch ihre eigenen Nachforschungen begannen sie schließlich das Puzzle der Klezmer-Geschichte Stückchen für Stückchen zusammenzusetzen.

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