Die drei Pionierbeispiele haben bei
allen Unterschieden doch einige Gemeinsamkeiten:
Die meisten Musiker hatten sich, im Einklang
mit dem damaligen Zeitgeist, schon in
irgendeiner Form mit ethnischer Musik
beschäftigt, ehe sie sich der Klezmer-Musik
zuwandten. Das Engagement für Klezmer-Musik
entstand bei allen aus einem persönlichen,
unzweckmäßigen Antrieb heraus, der zu
Anfangs keineswegs erfolgsversprechend
schien. Sapoznik erzählt,
wie er mit dem Gefühl lebte, in einem
Vakuum zu arbeiten, bevor er von den
Klezmer-Aktivitäten an der Westküste der
USA erfuhr. Anerkennung für seine Arbeit
erhielt er erst viel später und zu Anfang
wußte keiner der Pioniere inwieweit oder
in welche Richtung ihre Anstrengung fruchten
würde.
“So people
at the beginning had to make a personal
statement which was irrational and illogical
‘cause there was no evidence that doing
this would produce any result - except
a personal result.” (Interview Sapoznik)
Das anfängliche Herantasten
an die Musik war - und sollte es auch
einige Zeit bleiben - bei allen ähnlich.
Die Musiker suchten ein musikalisches
Vorbild, das möglichst nahe an die
osteuropäische Tradition herankam. Durch
die kulturellen und politischen Wirren
der sechziger und siebziger Jahre war
die existierende jüdisch-amerikanische
Kultur der jungen Generation fremd geworden.
Anstatt die noch Lebenden als Lehrer
zu suchen, wandte man sich an die
zeitlich am weitesten entfernte (und dadurch
als besonders authentisch empfundene)
Quelle: Die im ersten Drittel des Jahrhunderts
in ansehnlichen Zahlen aufgenommenen Schellackplatten.
Sie waren wertvolle Informationsträger
für Klezmer-Musik, und fanden sich entweder
im eigenen Haushalt der Eltern und Großeltern
oder in einschlägigen Institutionen. Man
sah in ihnen die Verbindung zu einer verloren
geglaubten musikalischen Sprache. Die
alten Aufnahmen erschienen wie ein Äquivalent
von “3 minute musical Rosetta Stones”.
Die Musiker vertieften sich in
die verkratzten Aufnahmen, analysierten
sie, und begannen sie zu imitieren.
Sie versuchten einen möglichst “authentischen”
Klang zu finden und zu reproduzieren.
Mit der Zeit verinnerlichten die jungen
Klezmorim die Elemente der musikalischen
Sprache und begannen ihren eigenen Weg
innerhalb und außerhalb dieser Grenzen
zu suchen.
“Into the
early 1980s, the klezmer repertory consisted
mainly of meticulously reconstituted
arrangements as close as possible to
those on the early shellacs (...) In
retrospect, however, this preoccupation
with fidelity can almost be seen as
a training exercise, in which a vocabulary
of (...) words and phrases, so to speak,
has been internalized.” (Dion 1992:54)
In dieser Anfangsphase des
Klezmer-Revivals fand eine wichtige
Veränderung der osteuropäischen Tradition
statt. Klezmer-Musik, die vormals als
eine rein funktionale Musik eng im Zusammenhang
mit dem Hochzeitsfest stand, wurde in
den siebziger Jahren als Inszenierung
präsentiert. Es wurde zwar hin und wieder
angedeutet, daß Klezmer-Musik schon früher
in Konzerthallen und Nachtclubs gespielt
worden sei. Auf konkretere Nachfrage wurde
aber immer verneint, daß dort ein reines
Klezmer-Repertoire in Form einer Show
aufgeführt wurde. Dieser Aspekt war
im Klezmer-Revival neu. Die Gruppen
stellten ihre Interpretationen der Musik
in einer genau einstudierten Gesamtform
auf einer Konzertbühne vor einem sitzenden,
zuhörenden Publikum dar. Nicht selten
wurden die Zuhörer dann doch von der Begeisterung
der Bands so mitgerissen, daß sie spontan
zu tanzen anfingen ohne auch nur einen
der traditionellen Schritte zu kennen.
“As the
band cranks up the tempo, dozens of
people break into an impromptu hora,
the standard circle dance for countless
Jewish weddings. Others kick their legs
in the style of the Mexican hat dance.
Still others simply run in the place
to the beat. A few middle-aged couples
try to polka, carefully avoiding crashing
into a younger pair who are swinging
each other around like square dancers.
An elderly gentleman drops into a squat
to do a half-dozen kazatskies, in the
style of a retired cossack. Nearby a
group of youngsters fall into a heap
after a fast-paced ring-around-the-rosey,
while the rest of the 400 concert goers
clap to the music (...) Although few
of the klezmer’s fans understand the
music’s Yiddish lyrics and even fewer
know the right dance steps, they are
embracing klezmer for its unusual mixture
of foot-stomping energy and piercing
soulfulness.” (Davis:1983)
Bald begannen einige der jungen Ensembles
die Musik wieder auf Parties oder Hochzeitsfeiern
zu spielen, meist auf Grund einer konkreten
Einladung nach einem Konzert. Das Duo
Feldman/Statman waren mit die
ersten, die eine bewußte Strategie
entwickelten auf Hochzeiten aufzutreten
und die Musik wieder in ihren ursprünglichen
funktionalen Zusammenhang zurückzubringen.
Im späteren Verlauf des Revivals wurde
dieser Aspekt immer wichtiger.
Bis in die Mitte der achtziger
Jahre hatten sich die genannten Pionierbands
etabliert und fanden immer größere Wirkungskreise.
Kapelye trat in der Hollywood
Filmproduktion “The Chosen”
auf und erreichte so ein breites Publikum.
Im Jahre 1984 waren sie die erste Band,
die auf Europatournee gingen. Im gleichen
Jahr hatten The Klezmorim
ihr vielbeachtetes abendfüllendes Konzert
in der ausverkauften Carnegie Hall in
New York. 1985 fand das KlezKamp
zum ersten Mal statt und sollte schnell
zum wichtigsten Forum für Klezmer-Interessierte
werden. In allen Teilen der USA begannen
sich mehr und mehr Bands zu formen und
mit Klezmer-Musik auseinanderzusetzen.
Zu dieser Zeit wußten die Musiker noch
fast gar nichts über die historischen
Entwicklungen und Zusammenhänge von
Klezmer-Musik. Es gab kaum Material, das
für sie unmittelbar zugänglich war. Einige
von ihnen machten sich daher an das systematische
Erschließen existierender Archive. Sie
suchten und fanden eine überraschend große
Gruppe von Klezmorim, die noch die Anfänge
des Jahrhunderts miterlebt hatten und
ihre Sicht auf die Geschichte weitergeben
konnten. Durch ihre eigenen Nachforschungen
begannen sie schließlich das Puzzle der
Klezmer-Geschichte Stückchen für Stückchen
zusammenzusetzen.
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