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Klezmer Musik in den siebziger Jahren

   

Klezmer-Musik vor den siebziger Jahren

Das in der ehemaligen osteuropäischen Heimat einst viele Tage dauernde Hochzeitsfest wurde in Amerika zu einer einzigen prestigeträchtigen Party. Mit ihr wollte man jetzt zeigen, daß man als amerikanische “middle-class” Familie Fuß gefaßt hatte und somit gesellschaftliche Bedeutung besaß:

    “And the fine dances are no more, the circles bigger and bigger (...) now they dance the cha cha (...) It’s all gone. Today the Jewish Wedding (...) is just another semi-annual Chamber of Commerce affair.” (Goodman 1965:142)

Die Zeremonie wurde auf die einfachen Grundhandlungen der Vermählung reduziert , gefolgt von einem stattlichen Festessen und ausgelassenen Tanzabend. Für die Musik bedeutete dies, daß die osteuropäische instrumentale Begleitung für die vielen komplizierten zeremoniellen Handlungen und für die mehrfachen Tanzabende auf ein paar Klezmer-Tänze reduziert wurde. Man bevorzugte jazzige, lateinamerikanische und israelische Tänze. Die Klezmorim mußten ein umfangreiches Repertoire bereithalten und sich ständig an neue Trends anpassen. Da Klezmer-Musik bis dato vorrangig eine Dienstleistung darstellte, waren die Musiker von den Vorlieben des neuen Publikums abhängig. Der größere Teil von ihnen mußte sich den neuen Marktanforderungen zwangsweise unterwerfen, um weiter als Musiker zu überleben. Also spielten sie unabhängig von ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen immer weniger Klezmer-Musik. Auch der bis heute aktive Schlagzeuger Julie Epstein hat zusammen mit seinen Brüdern diese Entwicklung am eigenen Leib erfahren.

    “As young musicians it was a popular thing to play at a wedding. Thirty years later, the bride would say: don’t play no Jewish music at my wedding, my husband is a doctor or lawyer or something and we have a lot of very important people - friends - and I don’t want it to be THAT kind of wedding. What kind of wedding? (...) But we as hired personnel – I can’t say I wonna play what I want – so we wouldn’t play it. ‘Til an old little lady who says: I’m the bride’s grandmother, what kind of wedding, there is no Jewish music! With a heavy accent. I said: Lady, see that beautiful girl, your granddaughter. Tell her! Don’t tell me, I follow orders. And she goes over and she says: I pay for this wedding and I’m gonna have what I want! Many times, that happened. And of course the minute, we played the first circle dance, the place rolled. Now it’s a wedding!” (Interview Epstein)

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Die Einwanderungsgenerationen starben und mit ihnen der Wunsch nach und die Kenntnis von den alten Tänzen, Liedern und Melodien. Das Verlangen nach osteuropäischen Klängen war soweit verebbt, daß sich kein Geld mehr mit ihnen verdienen ließ. In den sechziger Jahren schließlich, so erzählten übereinstimmend die älteren Musiker, war nur noch ein einziger kurzer Klezmer-Part auf Hochzeiten zu hören: eine rumänische Doina, gefolgt von einem kurzen Freilach oder Bulgar. Auch die Funktion von Klezmer-Musik als Tanzmusik war bis dahin verschwunden. Die Doina wurde zu Tisch dargeboten, sozusagen als ein musikalischer Zwischengang nach der Suppe, bevor der Hauptgang serviert wurde. Die Gäste saßen zufrieden beim Dinner und waren bereit ihre Aufmerksamkeit den Musikern zu widmen. Man ließ sie mit raffinierten unmetrisierten Soli, vorzugsweise auf der Klarinette, ihre Virtuosität beweisen und ein wenig “Alte Welt” zum Leben erwecken. Dieses selten mehr als zehnminütige Zwischenspiel befriedigte den schwachen Wunsch nach osteuropäischer Musik, die von den inzwischen vollständig amerikanisierten Juden weder erwünscht war, noch verstanden wurde.

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