“He is a true
phenomenon, a wonder, who takes second
place to no virtuoso of the world in
performance and preparation and who
therefore gave me more enjoyment on
his wood and straw instrument than many
do on their pianos.” (Wie zitiert in:
Beregovski 1937:537)
Andere Klezmorim fanden Schirmherren
und Patronen unter den vielen osteuropäischen
Kleinadeligen. Manche wurden in den kleinen
Hofstaat aufgenommen und dienten als private
Hausmusiker ihrem Gönner. Solche
Glückstreffer waren jedoch die Ausnahme
und um ausreichend Arbeitsgelegenheiten
zu bekommen, mußten viele Musiker nicht
selten über beträchtliche Strecken reisen.
Diese mindestens zwei bis meist nicht
mehr als fünf Musiker zählenden Ensembles
setzten sich häufig aus Mitgliedern einer
Familie zusammen. Klezmer war in Osteuropa
ein Berufsstand, der von Generation zu
Generation innerhalb einer Familie weitergegeben
wurde. Erst im neunzehnten Jahrhundert
mit Öffnung der Konservatorien für Juden
in Rußland und der verstärkten Aufnahme
in Militärkapellen erhielten Klezmorim
überhaupt die Möglichkeit vom relativ
festgelegten Klezmer-Beruf zu einem vielseitigeren
Musikberuf überzugehen.
“While
reports date the earliest presence of
Polish Jewish musicians in German armies
of the 1600s, it was in the Russian
army of the 1830s that Jews first entered
in large numbers. Klezmorim naturally
found themselves in military bands,
where they learned much in the way of
musical reading skills and instrumentation.”
(Loeffler 1997:13)
Die Musiker spielten nicht
nur für den einen oder anderen Landadeligen,
wegen ihres Berufs und ihres zeitweisen
Wanderlebens kamen sie mit vielen Nichtjuden
in Kontakt. Wie die Volkssängerin Mariam
Nirenberg erzählte, war es in
Osteuropa außerdem selbstverständlich,
daß Nichtjuden zu jüdischen Hochzeitsfesten
eingeladen wurden und mitfeierten. Umgekehrt
waren Klezmorim auf Märkten, auf nichtjüdischen
Festen und in Gasthäusern kein ungewöhnliches
Bild. Für diese Gelegenheiten mußte ein
anderes Repertoire bereitgehalten werden
und so ergab es sich, daß die Klezmorim
immer wieder zeitgenössischen Musikgeschmack
in ihre jüdische Umgebung mit zurückbrachten.
Berichten zufolge soll es vor allem in
ländlicheren Gebieten eine Reihe von gemischten
Musikgruppen mit sowohl christlichen,
wie jüdischen Musikern gegeben haben.
Ein deutliches Zeichen für den regen Austausch
untereinander sind zahlreiche Verbote
von Königen und Bischöfen,
“(...)
die den Christen aufs strengste untersagten,
mit den Juden den Sabbat gemeinsam zu
feiern und mit ihnen ihre Lieder zu
singen (...) Gleichzeitig aber verboten
auch die Rabbanim den Juden, christliche
Gesänge zu singen oder gar zu übernehmen.
All diese Verbote belegen auch hier
wieder, wie populär die Praxis gegenseitiger
Beeinflussung und sogar Übernahmen gewesen
sein muß.” (Gradenwitz 1991:197)
Das Leben der Aschkenasim
war in Osteuropa durch viele Gesetze
reglementiert. Z.B. durften sie sich
in manchen Städten ohne Sondererlaubnis
gar nicht aufhalten und generell kein
eigenes Geschäft besitzen. Das ging soweit,
das es mancherorts gesetzliche Regelungen
gab, die die Größe einer jüdischen Musikgruppe
generell festlegten. In vielen deutschen
Städten durften zeitweise nicht mehr als
drei Klezmorim bei einer beliebigen Veranstaltung
arbeiten. Aber nicht nur die christlichen
Regulationen machten den Klezmorim das
Leben schwer. Als Ausdruck der Abneigung
gegenüber der instrumentalen Musik erließen
auch die Oberhäupter der jüdischen Gemeinden,
die Rabbiner, hin und wieder
Verdikte gegen das Spielen von Musik.
Es gab Fälle, nach denen sie auf Grund
einer Tragödie in der Gemeinde ein ganzes
Jahr lang Freundenfeste untersagten. Abgesehen
von solchen Ausnahmesituationen, enthält
der jüdische Kalender an sich schon viele
Feiertage, an denen nicht nur wie an den
Sabbattagen instrumentale Musik verboten
war, sondern Juden überhaupt das Feiern
untersagt wurde.
“It was
actually the rigid, centuries old Jewish
calendar which put the Jewish musicians
at the greatest disadvantage. This was,
because large portions of the Jewish
calendar were periods where private
and public celebrations including weddings
were forbidden. Such was the saying,
When they count the sfire (...) the
klezmer can drop dead.” (Loeffler 1997:5)
In den Gebieten von Bessarabien,
Rumänien und der Ukraine
gab es nicht nur mit Christen viele musikalische
Kontakte, hier herrschte ein besonders
reger Austausch mit den Roma der Umgebung.
Wieder wird berichtet, daß Roma und
Juden zusammen in Ensembles spielten,
Roma sollen jüdische Gruppen sogar geleitet
haben.
“Not only
did Ashkenazic klezmorim move south,
attaining prominence in eighteenth and
early nineteenth-century Ottoman Moldavia
and Bessarabia, a new professional music
emerged, played by mixed bands of Jews
and Gypsies which absorbed many structural
features from Gypsy professional (lautar)
music.” (Feldman 1997a:8/9)
Klezmorim waren schon auf Grund ihrer
Beschäftigung eine Sondergruppe in
der jüdischen Gesellschaft . Hinzu
kamen ihre Reisen und die vielen Kontakte
zur nichtjüdischen Welt. Alles das trug
dazu bei, daß sich das schon erwähnte
Image eines unorthodoxen, fast furchteinflösenden
und zugleich faszinierenden Klezmer
etablierte. Noch zu Beginn unseres
Jahrhunderts waren diese Vorurteile gegenüber
den Klezmorim in Osteuropa wie in deutschsprachigen
Ländern verbreitet.
“Wenn ich
auch oben die Klesmer als nicht besonders
ehrenhaft bezeichnete, so muß ich ihnen
doch Gerechtigkeit widerfahren lassen
und hier feststellen, daß die Zunft
der Klesmorim mit der der Gauner, was
wenigstens Rußland anbelangt, nichts
Gemeinsames hat, und wenn die Klesmer
unter den Juden keine Hochachtung genießen,
so teilen sie damit das Schicksal vieler
anderer Handwerker, was seinen Grund
eher in sozialen als in moralischen
Ursachen hat.” (Weissenberg 1913:129)
Der größere Teil der Gesellschaft behandelte
Klezmorim herablassend und sah in ihnen
eher Nichtsnutze als Künstler.
In dem Theaterstück “Dovid’s Fidele”
von Joseph Lateiner, das
1897 Premiere hatte und auch in Amerika
noch aufgeführt wurde, wird die Geschichte
eines ungleichen Brüderpaares erzählt,
von denen einer gegen den Willen der Familie
der Berufung Klezmer-Geiger folgte. Die
Beschreibung des Musikers aus der Sicht
des Bruders macht die Einstellung vieler
gegenüber dem Beruf eines Klezmer deutlich.
“He was
lazy as I was industrious. He had only
one obsession, and it stuck with him
his whole life: his fiddle. He did nothing
day and night but scrape on that fiddle.
As hard as our blessed father tried
to dissuade him from becoming a fiddler,
a gypsy, he stood fast and unrepentant.
Well, he found some sort of poor girl
to marry, and you can believe that none
of us attended the wedding.” (Slobin
1982:88-90)
Diese abfällige Einstellung
gegenüber Klezmorim hat sich in etwas
gewandelter Form auch in Amerika noch
erhalten. Sie ist vielleicht unter anderem
eine Erklärung dafür, warum gerade über
diese doch so alte und im gesellschaftlichen
Leben wichtige Musiktradition fast keine
grundlegenden Forschungen gemacht wurden,
als die Musik noch in ihrer ursprünglichen
Umgebung lebendig war.
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