Virtual Klezmer

von der Khupe zum KlezKamp
5.Fully Klezmerized
Die Kommerzialisierung von Klezmer Musik

   

Die Kommerzialisierung von Klezmer-Musik

Für die Medien und das breite Publikum war Klezmer-Musik bis vor kurzem aber noch ein Fremdwort. Erst im Herbst 1995 hat ein Projekt die Welt des Klezmer das erste Mal wirklich in die großen Scheinwerferlichter geholt. Der bedeutende Kulturkanal PBS hat für seine Sendung “PBS Great Performances” eine einstündige Dokumentation mit dem Titel “In the Fiddler’s House” gedreht, bei der Itzhak Perlman seine musikalischen Wurzeln in Form von Klezmer-Musik zu ergründen sucht. Perlman, der in den USA zur Topgarde der klassischen Geiger gehört, wird in diesem Film mit den Musikern der Bands The Andy Statman Klezmer Orchestra, Brave Old World, Klezmer Conservatory Band und The Klezmatics gezeigt, von denen er den für ihn neuen Musikstil lernt. Die erste CD, die Perlman zusammen mit den genannten Ensembles aufnahm, befand sich über mehrere Wochen auf Platz Eins der Verkaufslisten von Klassik-CDs in den USA und wurde über 200 000 mal verkauft.

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Erst dieser prestigeträchtige Name konnte die Medien aufmerksam machen. Lange Artikel in einschlägigen Magazinen, wie “The New York Times” und “Billboard” folgten, und sogar im karibischen Trinidad erschien in der Tageszeitung eine ganze Seite zu dem Projekt. Der Star der sogenannten “Late Night Shows”, David Letterman, lud Perlman und ein Klezmer-Allstars Orchester live zu sich in die Fernsehsendung und 40 Millionen Fernsehzuschauer wurden zum ersten Mal mit dem Wort “Klezmer” und der dazugehörenden Musik konfrontiert.

Das Projekt ging seit der Fernsehausstrahlung durch die größten und bekanntesten Konzertsäle der USA, angefangen von der “Radio City Music Hall” in New York im Juli 1996 bis hin zur “Hollywood Bowl” in Los Angeles im Juni 1998, wohin beinahe 15.000 Konzertbesucher kamen. Die Show ist so konzipiert, daß Perlman mit den einzelnen Gruppen zusammen nacheinander auftritt und am Schluß eine große gemeinsame Jamsession abgehalten wird. Die Vermarktung der Konzertreihe wie auch der CDs läuft zum Einen über den klingenden Namen Itzhak Perlman, zum Anderen über das Schlagwort Klezmer, was einer weiteren Verbreitung des Begriffs hilft.

Die Beschäftigung eines Stars von Perlmans Bedeutung mit dem Thema hat diverse Folgen nach sich gezogen. Der Begriff “Klezmer” hat sich schlagartig sowohl bei einem jüdischen wie einem nicht-jüdischen Publikum durchgesetzt und sich zu einem regelrechten Zugpferd entwickelt. Die Anzahl der Menschen, die sich die Musik anhören ist abrupt gestiegen. Dadurch wuchs auch die Größe der Veranstaltungsorte für Klezmer-Musik. Insgesamt ist die Nachfrage gestiegen, allerdings mit Vorbehalten. Besonders die Bands, die an dem Projekt beteiligt sind, können über mangelnde Arbeit nicht klagen. Aber immer mehr Klezmer-Bands entstehen aufgrund der steigenden Nachfrage und nützen den Trend vorteilhaft für sich aus. Die bekannten Profibands sind für viele zu teuer geworden, diese meist kleinen Bands, manchmal nur einzelne Musiker, sind weitaus erschwinglicher und für alle möglichen Gelegenheiten einsetzbar. Die Popularität hat also für die Profibands, die nicht direkt am Projekt beteiligt sind auch seine Nachteile:

    “But because it’s so popular and there are so many groups playing, what people are willing to pay for it is a lot less. It used to be that there were less groups and you could make a good part of your living from it, now that there are so many groups it is not really possible to make a real living from playing klezmer music.” (Interview Sapoznik)

In jüdischen Kreisen hat sich die Wertschätzung gegenüber der bis dato immer vernachlässigten Musiktradition in gewisser Weise positiv verändert. Die Tatsache, daß jemand wie Perlman die Musik nicht nur ernst nimmt, sondern sie mit sich in die Welt der “Hohen Kunst” hebt, wird von vielen wie eine Art Legitimation der Musik empfunden. Mit gutem Gewissen können sich Medien und Publikum nun zu dieser Musik bekennen, ohne fürchten zu müssen als altmodisch oder unzeitgemäß abgestempelt zu werden.

    “Alicia was around 20 years old when the Klezmatics started and she has devoted her entire adult life to Yiddish music. That’s an amazing comment. I grew up in a very Yiddish cultural milieu and the whole sense that I had was that it was petering out and that there wasn’t going to be a strong enough energy to carry it forward and that’s just not true anymore (...) Because all the work that went on in the 80s and 90s took root, there were really people devoting their lives to it and the audience has been coming around. I think Perlman helped a lot in that. It was serious, but you needed to have somebody to bring the attention of the media and the larger audience to it. The mainstream Jewish community has always been outside of this Yiddish revival and now they’re much more open to it.” (Interview Rosenfeld)

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Diese Entwicklung hat aber auch ganz entgegengesetzte, fast schon paradoxe Folgen. Klezmer-Musik ruft nun bei einem breiten Publikum eine recht diffuse Assoziation mit einer irgendwie gearteten jüdischen Musik hervor. Durch seinen inzwischen gesteigerten Marktwert, wird “Klezmer” als Schlagwort in allen möglichen Verbindungen eingesetzt. Das hat wiederum die Wirkung, daß Klezmer-Musik als Ausdruck einer avantgardistischen Subkultur nicht mehr funktioniert. Frank London entdeckte vor kurzem einen von John Zorn veröffentlichten Text, der diese Wertumkehrung in bestimmten künstlerischen Kreisen deutlich macht.

    “John Zorn in his liner notes for something he’d done with Masada or something I saw, said that he wants to give Jewish musicians of the future an alternative to klezmer. That‘s a paraphrase (...) That’s funny from the historical perspective, that 20 years ago when I started playing this music if I said I’m playing klezmer, people said what’s that. Universal answer 20 years ago: what’s that? So in 20 years we went from being unknown to passé! To being both overgenerally used as a term and meaningless, passé. Everything is klezmer, nothing is klezmer and we’re sick of klezmer (...) But for the ones who are seriously in the business it doesn’t make a difference.” (Interview London)

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