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Klezmer Musik und künstlerische Identität

   

Klezmer-Musik und künstlerische Identität

Ein Aspekt, der erst seit dem Klezmer-Revival eine Bedeutung gewonnenhat, ist die Sicht auf Klezmer-Musik als Möglichkeit des künstlerischen Ausdrucks. In der heutigen Form ist das für die Musik neu. Historisch gesehen war die instrumentale Hochzeitsmusik vor dem Klezmer-Revival eine funktionale Musik, deren künstlerischer Aspekt zweitrangig war. Klezmorim spielten sie, weil sie mit ihr Geld verdienen konnten und boten wie der Photograph, der Florist und der Partyservice eine Dienstleistung für die Hochzeitsfeier an. Entsprechend mußten sie sich, genau wie ihre anderen Kollegen, nach den Vorstellungen der Auftraggeber richten und ihre künstlerischen Ambitionen der Anforderung des Moments unterordnen.

    “If you wonna be musician and make money at it, you play what the people want and not what you want, unless you’re on stage and give a show, then you play what you want.” (Interview Pincus)

Erst in den USA etablierten sich von der rituellen Funktion losgelöste Kunstversionen von Klezmer-Musik bei Plattenaufnahmen und Konzerten. Aber nur ein relativ kleiner Kreis von hervorragenden Musikern wurde für diese eher seltenen Gelegenheiten angefragt.

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Keiner erlernte damals die Musik, um durch sie die eigene Musikalität zum Ausdruck bringen zu können. Schließlich waren obendrein die langen und harte Arbeit bedeutenden Stunden auf Hochzeiten selten gut bezahlt, die Musik war dem Tanz untergeordnet und wurde vom Publikum wenig beachtet. Wenn ein guter Instrumentalist brillieren wollte, blieb ihm schließlich nur die Doina.

    “Klezmer music when it was in its heyday was never a kind of music that one would play just for the fun of it. Yes - certain tunes did come up which were much more complicated, because the musicians were kind of showing off.” (Interview Sokolow)

Auch heute noch ist die Arbeit bei Hochzeiten und anderen Parties keine künstlerisch befriedigende Tätigkeit. Klezmer-Musik wird für solche Anlässe wieder, bzw. immer noch hauptsächlich als Dienstleistung angefragt. Für die Musiker, die sich mit ihrer Interpretation von Klezmer-Musik künstlerisch ausdrücken wollen, sind Parties nach wie vor keine geeignete Bühne.

    “I wasn’t really interested in playing weddings. Because playing weddings is kind of mean little work in a lot of ways (...) It’s hard work that people don’t necessarily like to pay for and because a lot of the times if you play klezmer at a wedding maybe the people who ask you want to hear it but a lot of other people don’t. If you’re playing klezmer at a concert you have the feeling that everybody who’s there wants to hear what you’re playing.”(Interview Byron)

Bei Konzerten ist das Repertoire nicht den rituellen Zwängen von Hochzeiten oder Parties unterworfen. Auswahl, Tempo, Ablauf und Dynamik der Stücke werden nicht von Tänzern diktiert, sondern allein nach dem ästhetischen Empfinden der Musiker arrangiert.

    “The symbolic meaning of the music has no meaning in the concert hall. You’re taking each piece on its face-value without any surrounding ritual. So each piece has to be an important piece of music rather than fulfilling a ritual function (...) And there has to be a shape to the music that you present in a concert that would make no sense in a wedding, because you have to vary the tempos in concert, you have to mix the keys up a little bit, you know you have to give the thing a variety, a texture. You don’t think about those things when you’re playing wedding music as such ‘cause people aren’t listening to it.” (Interview Sapoznik)

Auf Hochzeiten zu spielen, ist deswegen vor allem für die Bands zweitrangig, die ihr Programm ganz nach eigenen Vorstellungen gestalten und die mit ihrer Musik einen individuellen Ausdruck anstreben. Sie erkennen Klezmer-Musik als “Kunstmusik” an und finden durch sie einen befriedigenden Ausdruck ihres künstlerischen wie handwerklichen Könnens. Gruppen wie z.B. Brave Old World, die nur auf Konzerten auftreten, kombinieren überzeugend einen an die Tradition bewußt angelehnten Stil mit kunstvoller und anspruchsvoller Spielweise.

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    “We want to present this music for the concert stage, we’re trying to perform Jewish music with the sensibilities of - the refinement, the craft and the musicianship - of art music and of good jazz, but without loosing the power and the drive of the dance-traditions that are in some ways at the heart of the music.” (Interview Alpert)

Die Musik spiegelt bei Konzerten die Vorstellungen eines individuellen Künstlers wider. Dementsprechend haben sich hier ganz unterschiedliche Interpretationen entwickelt, die sich mehr oder weniger stark an die Tradition anlehnen. Bei Konzerten erlebt man daher die lebendigsten, interessantesten und für die Gegenwart relevantesten Entwicklungen in Bezug auf Klezmer-Musik. Neue Kompositionen von Brave Old World und The Klezmatics sind immer deutlich im Rahmen des Stils gehalten und zeigen doch stolz ihre modernen Einflüsse. Kapelye ließen mit ihrer CD “On the Air” die Welt des jiddischen Radio wieder auferstehen und hatten mit ihr als erstes “concept klezmer album” Erfolg. Einige ehemalige Schüler des KlezKamp haben sich zu virtuosen Verfechtern einer besonders osteuropäischen Orientierung gemausert. Das Interesse der heranwachsenden “fünften” Klezmer-Generation läßt hoffen, daß die Tradition auch in Zukunft lebendig gehalten wird.

Alicia Svigals bringt Motivation und Zielsetzung vieler moderner Klezmorim in einem Manifest auf den Punkt, in dem sie die für sich und The Klezmatics wichtigsten Eckpfeiler für ihren Beitrag zur Weiterentwicklung von Klezmer-Musik festgeschrieben hat.

    “1. Against Nostalgia, 2. For High Jewish Self-Esteem (taking the music completely seriously), 3. For our own language (like any musical language, klezmer needs to be studied and absorbed so it can be spoken with a native accent.), 4. Against Folk-Fetishism and a False Definition of Authenticity (My hope is, now that we’re becoming fluent in our language, we can go beyond simply reciting a received text to speak spontaneously in our own voices.)” (Svigals 1998:47/48)

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