Virtual Klezmer

Brave Old World am 25.11.2000 in München

 

(Besprechung: Gus)

Brave Old World am 25.11.2000 in München –
jüdische Kulturtage (Sepharad 2000)

Klezmer hat ein Janus-Gesicht. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Das eine Gesicht schaut in die Vergangenheit während das andere in die Zukunft blickt. Die Musik hat bekanntlich eine lange Vergangenheit und die meisten Klezmer-Gruppen schöpfen aus dem reichen Fundus der überlieferten Musik. Traditionelle Klezmer-Musik in die heutige Zeit zu übertragen ohne die alten Vorbilder nachzuspielen und vielmehr etwas neues zu schaffen auf der Basis und mit dem Wissen der langen Tradition ist das Anliegen vieler zeitgenössischer Klezmergruppen
– also an sich nichts besonderes?!?.

Die Gruppe Brave Old World, ursprünglich eine Formation welche die Wiederentdeckung der Klezmer-Musik in den 70er Jahren mitgetragen hat, zeigt sehr deutlich diese beiden Seiten (oder Gesichter) des Klezmer.

Die Gruppe spielte im ausverkauften Münchner Carl-Orff-Saal des Gasteigs im Rahmen der jüdischen Kulturtage ein vollständig neues Programm. Keines der Lieder (wenn man von der ersten Zugabe „Borschtsch“ mal absieht) findet sich auf einer der Veröffentlichungen. Die Stücke waren nicht nur neu, sondern auch neuartig, ungewohnt und ungewöhnlich.

Bis zur ersten Pause spielte Brave Old World fast ohne Unterbrechung. Langsame Musik, teilweise fast schwermütig, herbstlich, winterlich, getragen von einer tristen Stimmung mit viel Raum für minimalistische Soli. Ist man von der Gruppe gar nicht gewöhnt.

Ich habe einige Gesprächsfetzen in der Pause aufgeschnappt – die Zuhörer hatten Schwierigkeiten mit der Musik, sie hatten etwas anderes erwartet.

Das andere Janus-Gesicht der Klezmer-Musik: Sie kann sehr fröhlich sein, ausgelassene Tanzmusik und mitreißend. Sie kann aber auch traurig sein, herzzerreissend. Beides ist möglich.

Alan Bern, der musikalische Leiter und das Gehirn der Gruppe war wie gewohnt sehr virtuos am Klavier und Accordeon. Er ist einfach ein begnadeter Musiker. Überracht haben mich zum Einen Stuart Brotman, der sein Cybel-Spiel stark verbessert hat. War es vor Jahren noch ein Instrument, das bei Brave Old World eher ein Randdasein führte, so ist es nun ein wichtiger Teil im neuen Repertoire. Besonders ist das in einem Stück von Joseph Moskowitz zum Ausdruck gekommen. Wirklich gut. Zum Anderen hat mich Kurt Bjorling überrascht mit einem phänomenalem Klarinettenspiel. Vor allem die Ausdruckstärke.

Sehr gut gefallen haben mir auch die Stücke transsylvanischer Herkunft. Der Charakter der Lieder blieb erhalten und doch waren es neue Stücke. Man hat sie erkannt aber sie waren kaum wiederzuerkennen.

Fazit:
Der zweite Höhepunkt der diesjährigen jüdischen Kulturtage (neben Frank Londons Klezmer-Brass Allstars ) war das Erlebnis einer Musik, die sich einen Platz schafft zwischen „ernster“ Klassik und U-musik. Man kann diese Musik auch geniessen, wenn man die Geschichte der Klezmer-Musik nicht kennt. Zeitlos schön.

© 2002 by Gus. All rights reserved.; Disclaimer
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