Kommentar zu einzelnen Stücken:
1. Shnirele perele
In der Kababala (jüdische Mystik aus dem
13. Jahrhundert) heißt es, die Welt ist
eine Perlenkette, wobei die einzelne Perle das
Sinnbild der menschlichen Seele darstellt. Die
Kette jedoch ist gerissen und die Seelen haben
ihre Plätze verloren und sind der Welt
verstreut. Der Messias wird kommen und sein
Volk nach Israel zurückführen. Er
fügt die Perlen wieder zusammen und alle
Seelen finden ihren Platz wieder. Sehr schönes
und einfach gesungenes Lied.
2. Hob ich mir a span
Traditionelles Lied über das Schicksal,
dessen Lauf sich nicht ändern lässt.
Sehr langsames Lied mit beinahe kantoralem Gesang.
Für meinen Geschmack etwas zu bedrückend.
3. Papirosn
Das sicherlich bekannteste Lied von Herman Yablakoff,
war erstmals 1932 in einem New Yorker Radioprogramm
zu hören. Sehr einfache Interpretation
des bekannten Klassikers mit wenig instrumentaler
Untermalung.
4. Leaving mother russia
Ist das modernste Lied dieser Platte. Das englische
Stück habe ich zuvor noch nicht gehört,
gefällt mir aber ausgesprochen gut.
5. L´chi lach
Weiteres englisch gesungenes Lied von Debbie
Friedmann.
6. Kadesh ur´chats
Sehr kurzer gesungener Auszug aus einem Kiddushsegen.
In dieser a capella Version über das Ritual
der Mahlzeiten am Vorabend des Pessachfestes
(Seder) sind Bruchstücke der ursprünglichen
Ritualanordnung zusammengesetzt. Mehr ein Ausflug
in die jüdischen Riten als ein Lied. Nicht
so mein Geschmack.
7. Cuando el rey nimrod
Ist eines der schönsten sephardischen Lieder,
hier in einer orientalisch angehauchten Version.
Sehr schön gesungen und gespielt. Als einst
König Nimrod.. ist eines der schönsten
Lieder der Platte.
8. Los bilbilicos
"Die Nachtigall" ist der zweite Landinogesang
der Platte und ist bei vielen sephardischen
Gemeinden ein sehr bekanntes Liebeslied. Es
ist Bestandteil der Freitagsliturgie. Ein sehr
schön gesungenes Lied mit bekannter Melodie.
Das Stück habe ich schon öfters unter
anderem Namen gehört, vermutlich auch mit
anderem Text.
9. Durme, durme
Das dritte und letzte sepharische Stück
ist ein Schlaflied aus der Maurenzeit. Sehr
gefühlvoll und leise gesungen, wird das
Stück nur von der Gitarre begleitet. Schön
gesungen, gefällt mir sehr gut.
10. Oyfn pripetshik
Text und Musik des bekannten Liedes stammen
von Mark Warshawsky. Standardinterpretation
eines Klassikers, der von unzähligen Gruppen
schon totgesungen wurde.
11. Margaritkelech
Die schönste Liebes-Ballade von Zalmen
Shneour. Klassisch arrangiert für Klavier
und Gesang. Zwar ein Standard, aber immer wieder
schön zu hören. Sehr gut und euphorisch
gesungen !
12. Papir iz dokh vays
Ungewöhnliche Version im Walzertakt des
bekannten Liebesliedes: Schön gesungen
und mit klassischer Musik interpretiert. Bei
den "Hintergrundgeräuschen" stößt
mir ein grauenhaftes Geräusch ins Ohr,
das ich nicht zuordnen kann. Es muss ein ähnliches
Instrument wie bei Ojojoj
sein, das im Rhythmus spielt. Es verursacht
rätschende Geräusche und zwingt einem
zum Überspringen des Liedes. Schade, sonst
wäre das Stück wirklich sehr schön.
13. As der rebbe singt
Traditionelles Lied mit eintönigem Text,
ist in den unterschiedlichsten Versionen zu
hören gibt. Hier sehr emotional gesungen.
Interessant, aber auch nicht besser als die
unzähligen anderen Versionen.
14. Kum aher du filosof
Bekannter liebenswürdiger Spott über
den weltlichen Philosophen. Ein Standard, gefällt
mir trotzdem ganz gut. Weitere gute Versionen
des Liedes sind von Bente
Kahan und Ben Zimet zu hören.
15. Kumi, ori
"Auf, werde licht", ist eine Prophezeiung
aus dem Buch Jesaia (60, 1+2), nach der Musik
von Elisheva Shomron. Fröhlich gesungene
Melodie mit sich ständig wiederholendem
Text. Nicht mein Geschmack.
16. Yibone hamikdosh
Hebräische Melodie "möge der
Tempel wieder aufgebaut werden". Ein Stück,
mit dem ich nicht viel anfangen kann.
17. Nigun
Live Mitschnitt aus einem Konzert in der Dreistenfurter
Synagoge. Nigun unbekannter Herkunft.
Fazit:
Eine ungewöhnliche Platte von einem eher
unbekannten Ensemble. Gut gefallen hat mir der
Gesang und die klassisch einfache Spielweise
der Stücke. Teilweise erinnert mich die
Platte an kantorale Musik, jedenfalls was den
Gesang angeht. Alle Stücke sind ausgesprochen
schön gesungen, sind aber gewöhnungsbedürftig.
Wer jüdische Lieder in gewohnter Art erwartet,
wird sicher enttäuscht. Beim ersten Anhören
der Platte ist mir gleich eine Aufnahme des
New England Conservatory unter der Leitung von
Theodore Bikel (The Jewish Experience) eingefallen.
Der Stil der Lieder ist sehr ähnlich, jedoch
die Gesangsqualität des NEC wird unerreichbar
bleiben. Die Aufnahme lässt erkennen, dass
die Lieder in der Synagoge aufgenommen wurden,
da sie manchmal sehr entfernt klingen und etwas
nachhallen. Ein Effekt, der mir sogar besser
gefällt als Aufnahmen, die direkt in ein
Mikrofon gesungen werden.
Das Booklet der Platte ist sehr schön gestaltet,
es enthält Informationen zu jedem Lied.
Obwohl ich mit sephardischen Lieder ein Problem
habe, waren die spanisch gesungenen Stücke
die schönsten.
Bewertung:
Interpretation
Virtuosität
Spielfreude
Aufmachung
|