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Ensemble Yontev
Fun hartz tzu hartz

(Besprechung: Andreas)

Ensemble Yontev - Fun hartz tzu hartz
(1986)

Aufgenommen in der Dreisteinfurter Synagoge 1986. Das Ensemble Yontev singt und spielt bekannte jüdische Klassiker, hebräische und sephardische Stücke in ungewohnter Art. Die Musik ist eine Mischung klassischer und hebräischer Musik mit teilweise kantoralem Gesang. Eine außer-gewöhnliche aber auch sehr schöne Interpretation traditioneller Standards.

Die Besetzung:
Hans Heinrich Schlemmer - Gesang
Birgit Buch - Gesang, Querflöte
Harald Berger - Gitarre
Igor Megeritzky - Violine
Pawel Ulanitzky - Cello

 
 

Lieder:

  1. Shnirele perele (4:37)
  2. Hob ich mir a span (4:05)
  3. Papirosn (4:05)
  4. Leaving mother russia (4:02)
  5. L´chi lach (3:56)
  6. Kadesh ur´chats (1:29)
  7. Cuando el rey nimrod (2:16)
  8. Los bilbilicos (2:31)
  9. Durme durme (2:56)
  10. Oyfn pripetshik (2:51)
  11. Margaritkelech (3:43)
  12. Papir iz dokh vays (3:05)
  13. As der rebe singt (4:53)
  14. Kum aher du filosof (2:38)
  15. Kumi ori (2:06)
  16. Yibone hamikdosh (3:51)
  17. Nigun (3:38)
 


Kommentar zu einzelnen Stücken:

1. Shnirele perele
In der Kababala (jüdische Mystik aus dem 13. Jahrhundert) heißt es, die Welt ist eine Perlenkette, wobei die einzelne Perle das Sinnbild der menschlichen Seele darstellt. Die Kette jedoch ist gerissen und die Seelen haben ihre Plätze verloren und sind der Welt verstreut. Der Messias wird kommen und sein Volk nach Israel zurückführen. Er fügt die Perlen wieder zusammen und alle Seelen finden ihren Platz wieder. Sehr schönes und einfach gesungenes Lied.

2. Hob ich mir a span
Traditionelles Lied über das Schicksal, dessen Lauf sich nicht ändern lässt. Sehr langsames Lied mit beinahe kantoralem Gesang. Für meinen Geschmack etwas zu bedrückend.

3. Papirosn
Das sicherlich bekannteste Lied von Herman Yablakoff, war erstmals 1932 in einem New Yorker Radioprogramm zu hören. Sehr einfache Interpretation des bekannten Klassikers mit wenig instrumentaler Untermalung.

4. Leaving mother russia
Ist das modernste Lied dieser Platte. Das englische Stück habe ich zuvor noch nicht gehört, gefällt mir aber ausgesprochen gut.

5. L´chi lach
Weiteres englisch gesungenes Lied von Debbie Friedmann.

6. Kadesh ur´chats
Sehr kurzer gesungener Auszug aus einem Kiddushsegen. In dieser a capella Version über das Ritual der Mahlzeiten am Vorabend des Pessachfestes (Seder) sind Bruchstücke der ursprünglichen Ritualanordnung zusammengesetzt. Mehr ein Ausflug in die jüdischen Riten als ein Lied. Nicht so mein Geschmack.

7. Cuando el rey nimrod
Ist eines der schönsten sephardischen Lieder, hier in einer orientalisch angehauchten Version. Sehr schön gesungen und gespielt. Als einst König Nimrod.. ist eines der schönsten Lieder der Platte.

8. Los bilbilicos
"Die Nachtigall" ist der zweite Landinogesang der Platte und ist bei vielen sephardischen Gemeinden ein sehr bekanntes Liebeslied. Es ist Bestandteil der Freitagsliturgie. Ein sehr schön gesungenes Lied mit bekannter Melodie. Das Stück habe ich schon öfters unter anderem Namen gehört, vermutlich auch mit anderem Text.

9. Durme, durme
Das dritte und letzte sepharische Stück ist ein Schlaflied aus der Maurenzeit. Sehr gefühlvoll und leise gesungen, wird das Stück nur von der Gitarre begleitet. Schön gesungen, gefällt mir sehr gut.

10. Oyfn pripetshik
Text und Musik des bekannten Liedes stammen von Mark Warshawsky. Standardinterpretation eines Klassikers, der von unzähligen Gruppen schon totgesungen wurde.

11. Margaritkelech
Die schönste Liebes-Ballade von Zalmen Shneour. Klassisch arrangiert für Klavier und Gesang. Zwar ein Standard, aber immer wieder schön zu hören. Sehr gut und euphorisch gesungen !

12. Papir iz dokh vays
Ungewöhnliche Version im Walzertakt des bekannten Liebesliedes: Schön gesungen und mit klassischer Musik interpretiert. Bei den "Hintergrundgeräuschen" stößt mir ein grauenhaftes Geräusch ins Ohr, das ich nicht zuordnen kann. Es muss ein ähnliches Instrument wie bei Ojojoj sein, das im Rhythmus spielt. Es verursacht rätschende Geräusche und zwingt einem zum Überspringen des Liedes. Schade, sonst wäre das Stück wirklich sehr schön.

13. As der rebbe singt
Traditionelles Lied mit eintönigem Text, ist in den unterschiedlichsten Versionen zu hören gibt. Hier sehr emotional gesungen. Interessant, aber auch nicht besser als die unzähligen anderen Versionen.

14. Kum aher du filosof
Bekannter liebenswürdiger Spott über den weltlichen Philosophen. Ein Standard, gefällt mir trotzdem ganz gut. Weitere gute Versionen des Liedes sind von Bente Kahan und Ben Zimet zu hören.

15. Kumi, ori
"Auf, werde licht", ist eine Prophezeiung aus dem Buch Jesaia (60, 1+2), nach der Musik von Elisheva Shomron. Fröhlich gesungene Melodie mit sich ständig wiederholendem Text. Nicht mein Geschmack.

16. Yibone hamikdosh
Hebräische Melodie "möge der Tempel wieder aufgebaut werden". Ein Stück, mit dem ich nicht viel anfangen kann.

17. Nigun
Live Mitschnitt aus einem Konzert in der Dreistenfurter Synagoge. Nigun unbekannter Herkunft.


Fazit
:
Eine ungewöhnliche Platte von einem eher unbekannten Ensemble. Gut gefallen hat mir der Gesang und die klassisch einfache Spielweise der Stücke. Teilweise erinnert mich die Platte an kantorale Musik, jedenfalls was den Gesang angeht. Alle Stücke sind ausgesprochen schön gesungen, sind aber gewöhnungsbedürftig. Wer jüdische Lieder in gewohnter Art erwartet, wird sicher enttäuscht. Beim ersten Anhören der Platte ist mir gleich eine Aufnahme des New England Conservatory unter der Leitung von Theodore Bikel (The Jewish Experience) eingefallen. Der Stil der Lieder ist sehr ähnlich, jedoch die Gesangsqualität des NEC wird unerreichbar bleiben. Die Aufnahme lässt erkennen, dass die Lieder in der Synagoge aufgenommen wurden, da sie manchmal sehr entfernt klingen und etwas nachhallen. Ein Effekt, der mir sogar besser gefällt als Aufnahmen, die direkt in ein Mikrofon gesungen werden.
Das Booklet der Platte ist sehr schön gestaltet, es enthält Informationen zu jedem Lied. Obwohl ich mit sephardischen Lieder ein Problem habe, waren die spanisch gesungenen Stücke die schönsten.


Bewertung:
Interpretation
Virtuosität
Spielfreude
Aufmachung

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