Die Publikation dieser CD in Europa
war überfällig, doch sie brauchte ein Jahr bis
zu ihrem Erscheinen diesseits des Atlantik.
Die Band geistert bereits seit längerem immer
wieder mal als existent durch die Neuigkeiten,
eine Weile wurde ganz offiziell nach einem Namen
gesucht, ein letztendlicher Beweis ihrer Existenz
wurde letztes Jahr in Form dieser CD abgeliefert.
Mittlerweile gibt es international eine Reihe
von reinen Frauenprojekten für Klezmermusik
und jiddisches Lied; vor MIKVEH existierte meines
Wissens lediglich die holländische Band DI KALLES
als solches, welche allerdings bereits als aufgelöst
der Geschichte anheim gefallen sind.
MIKVEH bietet Spannendes noch vor dem ersten
Hören:
Adrienne Cooper kennt man von Aufnahmen
und Auftritten u.a. mit Zalmen Mlotek, KAPELYE
und den KLEZMATICS,
und man fragt sich unwillkürlich, wie identisches
Material von ihrer Solo-CD «Dreaming in Yiddish»
wohl für MIKVEH arrangiert wurde.
Alicia Svigals ist bekannt durch die
KLEZMATICS
und ihre Solo-CD,
Lauren Brody spielte lange Jahre bei
KAPELYE
(war jedoch bei deren CD mit Cooper nicht dabei),
gerade ist ihre zweite CD mit dem Yuri-Yunakov-Ensemble
herausgekommen.
Margot Leverett gehört seit langem zur
Szene als Mitbegründerin der KLEZMATICS,
seit kurzem mit eigener Solo-CD.
Nur von Nicki Parrott hatte ich allenfalls,
wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, im Zusammenhang
mit der New Yorker Jazz-Szene und David
Krakauer gehört.
Die CD bietet zwei wirkliche Überraschungen:
zum einen das Repertoire, zum anderen Lauren
Brody. Um mit Brody zu beginnen – sie trägt
den gesanglichen Teil der Produktion zu gleichen
Teilen mit Cooper (wäre das doch KAPELYE
vergönnt gewesen!) und hat immensen musikalischen
Anteil. Ihre Stimme und die der Cooper, die
unterschiedlicher nicht sein könnten – Adrienne
Cooper verfügt über eine klassische Gesangsausbildung
und gilt als die führende Interpretin
jiddischer Lieder, während Lauren Brodys Stimme
sich stark an der Gesangstechnik bulgarischer
Folklore orientiert und vergleichsweise jungmädchenhaft-unbefangen
wirkt – funktionieren zusammen und verleihen
dieser Produktion eine eigene MIKVEH-Authentizität,
die einen Glücksfall für die Band darstellt.
Brodys solistische vokale Beiträge bieten einen
angenehmen Kontrast zu den klassischen Interpretationen
Coopers. Ihr Akkordeon ist überproportional
repräsentiert, und auch das erweist sich als
Plus.
Gesangliche Überraschungen gibt es von Adrienne
Cooper kaum; man kennt sie als die hervorragende
Sängerin und Interpretin, als die sie sich auch
auf dieser CD präsentiert. Ihre Überraschungen
beziehen sich aufs Repertoire und ihren inhaltlichen
Beitrag: man hat letztendlich den Eindruck,
sie ist es, die den Rahmen für diese CD fertigte.
Das Repertoire besteht, wenig überraschend jedoch
gut konzeptualisiert, aus Liedern über jüdische
Frauen in den verschiedensten Lebenslagen und
reicht von Standards wie «Borsht» und
«Di fayerdike libe» oder «A gutn ovnt Brayne»
(sehr gut! Reicht nicht an die Version auf Coopers
Solo-CD heran, bietet jedoch Interessantes)
über Originale wie «Sorele´s Bas Mitzveh» und
dem herausragenden «Yosemame/Orphan Mama» bis
hin zum klassischen «Eyshes khayil» aus den
biblischen Sprüchen, der Lobpreisung der jüdischen
Frau zum Sabbat. Cooper brilliert nicht nur
über ihre Interpretationen, ihr geistiger Input
ist bedeutend.
Wie auch der von Alicia Svigals. Musikalisch
hat sie (zusammen mit Brody, Cooper und dem
Produzenten der CD, Lorin Sklamberg) den bedeutendsten
Beitrag geleistet, von Arrangements bis zu Kompositionen.
Sie war es, die Coopers Tochter Sarah Mina Gordon
aufforderte, mit ihr zusammen ein Lied über
eine Fehlgeburt zu schreiben («Yosemame/Orphan
Mama», Musik Svigals/Text Gordon-Cooper), ganz
sicher ein Höhepunkt der CD. Selten, doch hin
und wieder, meint man, sich auf einer
KLEZMATICS-Platte zu finden; die frühere
Zusammenarbeit zwischen Svigals und Sklamberg
ist so eingespielt, daß sich das wohl automatisch
ergibt. Ihr, Brody und Cooper, wie auch dem
Produzenten, verdankt die Platte ihre musikalische
und inhaltliche Homogenität. Hervorzuheben sind
die verschiedentlich zu hörenden Satzgesänge,
an denen neben Cooper und Brody mindestens noch
Svigals beteiligt ist; das Booklet gibt darüber
keinen Aufschluß.
Als Bassistin rundet Nicki Parrott den Sound
der Band ab. Ihr Bassspiel ist zuverlässig und
souverän. Insbesondere beim letzten Track («Baleboste
zisinke») bekommt man einen Eindruck davon,
wie sie sich Stücke zu eigen machen kann; insgesamt
übrigens ein starkes Stück. Mit Margot Leveretts
Spiel kann ich mich noch immer nicht anfreunden.
Der Eindruck mag täuschen, doch wirkt sie innerhalb
der Band nicht sehr homogen. Das kann verschiedene
Ursachen haben, möglicherweise täusche ich mich.
Aufgefallen ist es mir in den zwei instrumentalen
Tracks auf dem Album («Gas nign» und die Hora
im Anschluß an «A gutn ovnt Brayne»).
Ein sensibles und hochwertiges Album einer
AllStar-Band, dem noch viele folgen mögen.
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