Kommentar zu einzelnen
Stücken:
Birobidjan Ein schnelles
Stück zu Beginn. Im fernen Osten der Sovjet-Republik
nahe der chinesischen Grenze wurde 1934 ein
unabhängiger Judenstaat gegründet, von der USSR
gefördert. Davon handelt dieses Lied, optimistisch
die Kolonisten, unrealistisch das ganze Unternehmen.
Es ist ein wunderbares Stück das mich sofort
gefangen hat und das mir eine ganze Weile im
Kopf rumgesaust ist. Es hat echten Ohrwurm-
Charakter. Die Stimme einer der beiden Sängerinnen
(ob Suzanna Sharpe oder Rachel Rhodes ist unklar...)
eher ungewöhnlich, ist tiefer und offensichtlich
nicht klassisch geschult – sie paßt absolut
zu dem rauhen Charakter des Stückes. Eines der
besten Stücke der Platte.
Losin Gayn Flotter Tanz mit
einem starken Bläsersatz und Mark Rubin federleicht
auf dem Banjo. In traditioneller Manier arrangiertes
Stück. Stark. (in den liner notes gibt auch
eine kleine Geschichte dazu die ich hier nicht
wiederholen möchte).
Bulgar in D minor Dieser
Tanz ist dem genialen Bassisten Charlie Mingus
gewidmet. Mir ist nicht ganz klar wieso ausgerechnet
dieses Stück? Wegen den aufeinander folgenden
Soli (Trompete – Posaune - Accordeon)? Ok, es
ist etwas jazzig angehaucht. Die bekannte Melodie
wird nacheinander von den 3 Instrumenten gespielt
und dabei jeweils etwas abgewandelt.
Sha Shtil! Das Stück vom
tanzenden Rabbi – Ruhe wenn der Rebbe tanzen
will! Gefälligst! Was ein toller Text! Ein Klassiker,
den ich noch nie mochte und auch die hier vorliegende
á capella-Version ist - NaJa – schnell weiter!
Hier singt die zweite Sängerin (keine gute Stimme)
Zeltser Vasser Laut
liner notes das erste von Bill Averbach komponierte
Stück. Es klingt wie ein altbekannter Traditional.
Ist OK.
A Laibedika Honga David Levy
spielt hier mit den löffeln ein tolles Intro.
Auch wenn sich die Musiker in diesem Stück einige
Male verhauen dennoch eine witzige Angelegenheit.
(Auch hier eine bekannte Melodie)
Bayt Zhe Mir Oys a Finfuntsvantsiker
Ein ruhiges Lied mit der Sängerin aus Birobidjan.
Die Frau hat einfach eine geniale Stimme
– unrein drückt sie jeden Ton aus ihrer Kehle.
Finde ich ungemein sexy. (Ehrlich. Sexy!). Begleitet
wird sie von einer starken Bläserbesetzung.
Zusammen ideal für den langsamen Marsch. Ebenfalls
ein Höhepunkt der Platte.
The Big Megilla Eine supercoole
jazzige Nummer mit Sprechgesang von Eric Scott
im hipster-Dialect der 60er-Jahre: "Ester‘s
cool curves and dark eyes and the groovy way
she dug the beauty and hipness of life."
Abgefahrener Bibel-Text, der allerdings nach
dem 3. Mal etwas nervt und nach dem 5. Anhören
fast unerträglich wird. (Ohne Text würde sich
das ansonsten sehr gute Stück weniger schnell
verbrauchen)
Tumbalalaika Es gibt viele
Versionen dieses traditionellen russischen Volksstückes,
vor allem auf der Balalaika oder Mandoline.
Darauf verzichten die Austins zugunsten starker
Bläser. Leider singt hier die 2. Sängerin der
Gruppe uninspiriert. Dennoch eine guter Version
des Walzers.
Fraylakh Sherele / Lechayim
Besonders das Accordeon-Solo sticht hervor.
Dieses Stück wird durch den ausgezeichneten
Gesang der “ersten” Sängerin der Gruppe (siehe
auch Stücke 1 und 7). Im zweiten Teil schlägt
das flotte Stück in eine unglaublich swingende
Jam-Session um. Ebenfalls ein Höhepunkt der
Platte.
Rozhinkes Mit Mandelin Auch
dieses Stück wird von der besseren der beiden
Frauenstimmen gesungen, begleitet von Mike Kaddux
auf dem Accordeon. Eine einfache Melodie die
man so schnell nicht vergißt. (Traditional von
Abraham Goldfaden) Sehr schön!
Vi Azoy trinkt a Kayer Tey Jazzige
Version des Liedes. Leider nur eine instrumentale
Version. Für jemanden, der das Stück nicht kennt
wirkt es etwas chaotisch – der Text fehlt einfach.
Aber dennoch gut. Ebenfalls zu empfehlen ist
die Interpretation des Stückes von Kapeye
auf der Platte
Future & Past.
Wu Sannen Mein Sieben Gute Yohr
Wenn ich dieses Lied höre, muß ich unweigerlich
an die uralte Version von Julius Guttmann
denke. Die Austins spielen dieses Lied ebenfalls
in einer instrumentalen Version. Schade. Das
ist aber auch gut so, denn Guttmann ist zu hervorragend.
Die alte Version ist unbedingt zu empfehlen
(nur Gesang und Klavier!)
Fazit:
Die meines Wissens erste Gruppe aus Texas,
die Klezmer-Musik spielen. Und das gar nicht
schlecht.
Die Austin Klezmorims haben ein starkes Gewicht
auf der Bläser-Sektion. Das macht ihre Stücke
sehr lebhaft und gesund bodenständig – erdig.
(Sie sollten jedoch auf die eine der beiden
Sängerin zugunsten der Besseren verzichten.)
Mit viel Gefühl für Klezmer und
mutigen Interpretationen gelingt ihnen eine
der interessantesten Platten, die ich seit langem
gehört habe.
Relativ wenig Informationen zur Gruppe in den
liner notes, kurze Kommentare zu den Stücken.
Bewertung:
Interpretation
Virtuosität
Spielfreude
Aufmachung
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