Damals, als man linguistisch
noch einen klaren Unterschied zwischen
„Musiker“ und „Klezmer“, dem jüdischen
Musikanten zweiter Klasse machte, zogen
sie von Hochzeit zu Hochzeit, von Fest
zu Fest und spielten ihre Freylachs und
Nigunim, von welchen sie mehr schlecht
als Recht leben konnten. Trompeter Frank
London, Gründungsmitglied der fast schon
legendären Klezmatics,
holte im vergangenen Jahr die besten Bläser
verschiedenster US-Amerikanischer Klezmer-Bands
wie The
Klezmer Conservatory Band
oder Brave
Old World in John Zorns
Knitting
Factory und sie spielten dort,
ganz in der Tradition jener ostjüdischen
Kapellen, ihre erste Klezmer-Brass-Platte
ein. Frei nach dem Motto, das auch ein
Liedtitel ist, „A Shiker is a Blojser-Spiler“
(Ein Betrunkener ist ein Bläser). Dass
diese etwas angeheiterten - man gönnte
sich ein Gläschen „Williams“ -New Yorker
Musiker virtuose Brass-Spieler sind und
so manchem nüchternen Bläser den Weg weisen
können, bewiesen sie nun erstmals auf
ihrer Deutschlandtournee. Diese führte
sie während der 14.
Jüdischen Kulturtage auch in den Münchener
Gasteig.
Die Kulturtage waren in diesem
Jahr zwar speziell den Sepharden gewidmet,
doch lag die Gesellschaft zur Föderung
jüdischer Kultur und Tradition mit der
Verpflichtung des achtköpfigen Ensembles
goldrichtig. Dass die Gruppe ohne Verstärkeranlage
in der relativ kleinen Black Box konzertierte,
war ebenfalls eine richtige Entscheidung.
Hautnah am Publikum spielten die sechs
Bläser und zwei Percussionisten (Stuart
Brotman an der Poyk Drum und John Hollenbeck
am Schlagzeug) ihre rauhen Bulgars, Freylachs,
Horas und all die anderen - meist ungeraden
- Klezmer-Rhythmen.
Und zum krönenden Abschluss
marschierten sie noch ins Publikum hinein
und zeigten, dass sie von Tuten und Blasen
mindestens genauso viel Ahnung haben,
wie ihre teuer gehandelten Kollegen des
German bzw. Canadian Brass.
Was die Band auszeichnete,
waren technisch brillante, jazzig improvisierte
Soli, die stets im intelligenten Zusammenspiel
mündeten. Dabei drehte sich alles um Frank
London. Mit einer Hand gab er die Einsätze
und mit der anderen hielt und spielte
er seine Trompete. Und wie! Was die legendären
Klezmer-Klarinettisten Naftule
Brandwein (auch sein Name
ist wohl ein Indiz dafür, dass seine Familie
aus der Tradition einer Shikeren Kapelye
kam) und Dave Tarras aus ihren Klarinetten
herausbliesen, dass machte London wie
kein anderer auf seiner Trompete. Und
selbst wenn er beim balladesken „Shtetl
Nign“ leise durch den Dämpfer quäkte,
hatte er noch ungemein viel zu sagen.
Gleiches galt auch für den Posaunisten
Mark Hamilton. Aufgrund der dominanten
Trompeten und Posaunen ging leider Klarinettist
Merlin Shepherd etwas unter, der aber
in seinen Soli bewies, dass er genau weiß,
wie eine Klarinette nach Klezmer klingen
muss.
Neben vielen unbekannten,
orientalisch klingenden Liedern, verblüfften
die New Yorker auch mit Brass-Versionen
von Gassenhauern wie „Ot Azoy“ oder „Di
Saposhkelach“, wie man sie zuvor noch
nie gehört hatte. Und falls die Kapelle
einen Tick zu spät einsetzte oder nicht
exakt synchron spielte, dann war das ein
Ergebnis ihrer Spontanität. Die Rolling
Stones wurden damit weltberühmt, Frank
Londons Kapelle hat - was die Klezmer-Szene
betrifft - Maßstäbe gesetzt. Und wie hieß
das beste Lied des Abends? „Lechaim, Efraim“
(Prost, Frank).
Dem ist nichts hinzuzufügen.
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