Erinnert man sich an Kapelye´s
erste Platte „Future
& Past“, so kommt man nicht umhin, sich
auch an Josh Waletzky zu erinnern. Waletzky
gab dieser Platte ein eigenartig warmes, tiefes
Timbre, das auf keiner der Kapelye-Nachfolger
mehr zu finden war, weil sein Schöpfer die Band
verlassen hatte. Zu hören war er wieder 1989
auf der von ihm koproduzierten CD „Partisans
of Vilna“, ein ausgezeichnetes und einziges
jiddisches Album, das je für einen Grammy nominiert
worden war. Als Regisseur hörte man von ihm,
z.B. der Dokumentarfilme „Image Before My Eyes“
(1980) und „Partisans of Vilna“ (1986). Ich
hatte nicht mehr damit gerechnet, wieder von
ihm als Sänger zu hören.
Und nun ist er wieder da, mit einem Album eigener
jiddischer Lieder. Jiddisch, die Sprache im
Exil vom Exil, läuft Gefahr auszusterben, die
Bedeutung einer ganzen Platte mit neuen jiddischen
Liedern ist kaum zu übertreiben. Waletzkys Stimme
ist nicht mehr so stark wie zur ersten Kapelye-Platte,
doch Deborah Strauß und vor allem Jeff Warschauer
stehen bereit, in vokal zu unterstützen. Dies
führt zu einigen sehr interessanten Satzgesängen.
Ein paar schöne Stücke sind ihm da gelungen,
und einige davon werden mit Sicherheit ins allgemeine
Repertoire übergehen. Es ist ein sehr persönliches
Album geworden. Und mit der Veröffentlichung
wird das Persönliche zum Besitz des Käufers.
Waletzky benutzt ein Jiddisch, das vielen verständlich
ist, das nicht strotzt von Hebraismen und Zitaten,
doch keineswegs ohne sie auskommt. Diese Texte
werden sich schnell verbreiten, höchstes Lob
für einen Liedermacher. Außerdem gibt es ein
paar instrumentale Passagen in der Besetzung
Violine/Piano/Mandoline oder Gitarre.
Leider ist die Platte nicht sehr
abwechslungsreich arrangiert, bis auf ein paar
Ausnahmen wirkt vor allem Deborah Strauss unterfordert.
Es gibt zwei Lieder, die sich mit aktuellen
Ereignissen auseinandersetzen: einmal mit Selbstmordattentaten
in Israel (welches die musikalische Potenz zum
Volkslied hat), zum anderen mit dem Friedensprozeß
in Nordirland; diese Lieder funktionieren nicht,
es ist das typische Dilemma des Dichters in
einer Sprache ohne den Kontext einer Heimat.
Besonders schön jedoch sind die allegorischen
und die Liebeslieder. Das Persönliche gibt diesen
Kontext her. Die Liedtexte sind in drei Versionen
(englisch, Transliteration, jiddisch),
das Booklet sehr informativ und sehr übersichtlich
von Ari
Davidow gesetzt.
Es ist eine schöne und wichtige CD, die Josh
Waletzky da gemacht hat. Zwar erreichen die
Songs nicht ganz die Ausstrahlung von beispielsweise
Celia Dropkins „Es vilt zikh mir zen“, dem „Harbstlid“
von Beyle Schaechter-Gottesmann oder Michael
Wex´s/Frank
Londons „Mizmor shir le-hanef“, doch mag
das der Interpretation geschuldet sein: es ist
schwer, als Sänger mit Lorin Sklamberg oder
Adrienne Cooper verglichen zu werden, die womöglich
noch die Klezmatics
(oder Joyce Rosenzweig) als Band im Hintergrund
haben. Trotz allem: ein wichtiges und gutes
Album, dem hoffentlich ein nächstes, musikalisch
ausgereifteres folgen wird.
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