Virtual Klezmer

Steven Greenman
Stempenyu's Dream

(Besprechung: Günther Schöller)

Steven Greenman - Stempenyu's Dream

Die Besetzung:
Steven Greenman: Komposition, Geige, Gesang
Michael Alpert: Geige, Gesang
Alan Bern: Accordion, Klavier
Stuart Brotman: Bass
Alexander Fedoriouk: Tsimbl
Walter Zev Feldman:Tsimbl
Mark Rubin: Bass
Pete Rushefsky: Tsimbl

 

Stücke: CD1:

  1. Neshome Nign 4:24
  2. Nigndl I—Little Tune (take 2) 4:37
  3. Odessa Freylekhs 2:34
  4. Nign à la Tepel—Tune in the style of 'Tepel' 5:32
  5. Peysakh—Passover - The Struggle for Freedom 3:36
  6. Zogekhts Asher L'Shloyme—Zogekhts attributed to Shloyme (Steve) 4:20
  7. Shloymele's Dobriden 4:46
  8. Khasene Marsh—Wedding March 3:28
  9. Khasene Nign Tants—Wedding Dance Tune 3:28
  10. Tsigayner Zhok—Romanian Gypsy Dance 6:53
  11. Ko Riboyn Olam—L-rd, Eternal Master of Worlds 7:20

Stücke: CD2:

  1. 1. Gaguyim Nign—Longings Nign (Yearning Soul Melody) 5:17
  2. Ahavas Oylam—Love of the World 6:46
  3. Tfile—Prayer 3:55
  4. Freylekhs/Sher 4:33
  5. Terkisher Freylekhs 3:59
  6. E Minor Freylekhs 3:28
  7. Moldovaner Freylekhs 2:28
  8. Bulgar 1:53
  9. A Dobranotsh far Karen 5:20
  10. Nigundl II "Gute Nakht"—Little Tune 'Good Night' (Take 1) 4:40

Der Traum eines Klezmervirtuosen

Das Klezmer eine Musik mit einer reichen Vergangenheit ist, aus der die Musiker des Klezmerrevivals mehr oder weniger ausführlich schöpfen, ist bekannt.
Der Schatz an Melodien aus Notensammlungen und alten Schellakaufnahmen ist groß, immer mehr von ihnen werden wiederveröffentlicht und einem interessierten Publikum zugänglich gemacht.
Trotz dieser Fülle an Material findet man bei unzähligen Gruppen die gleichen Stücke im Repertoire, man denke nur an den "Heysen Bulgar" von Naftule Brandwein. Es ist, als gäbe es eine unausgesprochene Vereinbarung aller Klezmergruppen, daß die Aufführung von sagen wir 20 bestimmten Stücken zur Legitimierung als Klezmergruppe notwendig ist.
So dreht sich vieles im Kreis, wenn, ja wenn es nicht immer wieder mal eine Ausnahme geben würde, welche die Szene als Ganzes beeinflußt.

Der Geiger Steven Greenman ist trotz seines noch relativ jungen Alters schon ein alter Hase im Klezmergeschäft. Er hat am ersten Album der Gruppe Budowitz, Mother Tongue, einen maßgeblichen Anteil gehabt.
Mit Budowitz gelang es Greenman, den Originalklang von Klezmer des 19. Jahrhunderts in Osteuropa zu rekonstruieren. Das Album wurde innerhalb der Szene begeistert aufgenommen, war es doch das erste seit dem wichtigem Album "Jewish Klezmer Music" von Andy Statman und Zev Feldman aus dem Jahre 1980, daß sich so konsequent dem Originalklang verschrieben hatte und dabei doch so überaus frisch klang. So war es wahrscheinlich kein Zufall, daß Greenman ein eigenes Projekt mit Zev Felman initierte, daß sich ebenfalls dem Originalklang verschrieben hat, aber noch ein Stück weiter zurück in die Vergangenheit ging. Mit Khevrisa, so der Name des Projekts und des gleichnamigen Albums, knüpfte Greenman an die Tradition der Geige als das ureigenste Instrument der Klezmermusik schlechthin an. So gab es, noch bevor die Klarinette die Geige als Hauptinstrument verdrängte, im 19. Jhdt. reine Streicherensembles, die bei Hochzeiten und anderen jüdischen Festen aufspielten. Daneben war auch das Hackbrett, jiddisch als Tsimbl bezeichnet, ein ständiger Begleiter der Klezmergeige. Neben Tanzstücken spielte Greenman mit Khevrisa aber auch Solostücke zum Zuhören ein, etwas was es innerhalb des Revivals vorher nicht gab, was aber als eigener Bestandteil des Repertoires eines Klezmer im 19. Jhdt. eine wichtige Rolle spielte. Was man bei Budowitz schon hörte, was bei Khevrisa aber erst so richtig zur Geltung kam, war neben der brillianten Technik Greenmans außerordentlich gutes Gefühl für das Feine dieser Musik.

Wie anfangs erwähnt besteht das Repertoire vieler Gruppen heute aus Stücken von Notensammlungen und alten Schellakaufnahmen, jedoch gab es immer wieder auch Musiker und Gruppen, die daneben auch ein oder zwei selbstkomponierte Stücke im Repertoire hatten. Man denke an Joshua Horowitz, Alicia Svigals oder David Krakauer, um nur einige zu nennen. Steven Greenman ist wohl der einzige bis jetzt, der ein ganzes Album ausschließlich mit eigenkomponierten traditionellen Klezmerstücken eingespielt hat. Nein, eigentlich hat er zwei Alben eingespielt, denn sein neues Werk "Stempenyu's Dream" ist eine Doppel-CD. Eigentlich könnte man das Album auch als zweites Khevrisa-Album sehen, sind doch beinahe sämtliche Mitstreiter des ersten Khevrisa-Albums wieder mit an Bord, wie zum Beispiel Zev Feldman, Michael Alpert und Stu Brotman. Dazu kommt mit Alan Bern (Akkordeon, Klavier) ein Experte, sowohl was traditionelle Klezmermusik als auch das Komponieren neuer jüdischer Musik betrifft (vgl. das aktuelle Album seiner Gruppe Brave Old World, Bless the Fire). Nicht zu vergessen ist Pete Rushefsky, ein junger Virtuose an der Tsimbl, der zu einer neuen Generation von Musikern zählt, die sich dem traditionellen osteuropäischen Stil des Klezmer zuwenden.

Die Bandbreite der Stücke auf Greenmans neuem Album ist groß, sie orientiert sich dabei am ersten Khevrisa-Album. Einige Stücke gehen ein bißchen in Richtung Romamusik bzw. moldawische Volksmusik, ein Tribut an die Tradition der Klezmorim, die mit Roma-Musikern nicht nur den Lebensraum, sondern auch die Musik teilten. Außerdem gibt es am Ende der ersten CD ein Stück, in dem Greenman nicht nur Geige spielt sondern auch singt. Er hat ein Gebet, daß an Schabbat gesungen wird, neu vertont.
Schon erwähnt wurden die Mitmusiker dieses Projekts, aber man muß noch einmal betonen, wie sehr auch sie zum Erfolg dieses Albums beigetragen haben. Natürlich steht Greenmans Geigenspiel im Vordergrund, aber besonders bei den schnelleren moldawischen Stücken hat Greenman seinen Kollegen ausgiebig Raum gelassen, zu beweisen, daß sie mit Recht zur Creme de la Creme der internationalen Klezmerszene zählen.

Greenman selbst hofft, so schreibt er im ausführlichen Booklet, mit diesem Album einen Anstoß zu geben für künftige neue Kompositionen für die Klezmergeige im Speziellen bzw. das Klezmergenre insgesamt. Möge sein Traum wahr werden. Den Anfang hat er gelegt.

© 2004 by Günther Schöller. All rights reserved.; Disclaimer
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