Der Traum eines Klezmervirtuosen
Das Klezmer eine Musik mit einer reichen Vergangenheit
ist, aus der die Musiker des Klezmerrevivals
mehr oder weniger ausführlich schöpfen,
ist bekannt.
Der Schatz an Melodien aus Notensammlungen und
alten Schellakaufnahmen ist groß, immer
mehr von ihnen werden wiederveröffentlicht
und einem interessierten Publikum zugänglich
gemacht.
Trotz dieser Fülle an Material findet man
bei unzähligen Gruppen die gleichen Stücke
im Repertoire, man denke nur an den "Heysen
Bulgar" von Naftule Brandwein. Es ist,
als gäbe es eine unausgesprochene Vereinbarung
aller Klezmergruppen, daß die Aufführung
von sagen wir 20 bestimmten Stücken zur
Legitimierung als Klezmergruppe notwendig ist.
So dreht sich vieles im Kreis, wenn, ja wenn
es nicht immer wieder mal eine Ausnahme geben
würde, welche die Szene als Ganzes beeinflußt.
Der Geiger Steven Greenman ist trotz seines
noch relativ jungen Alters schon ein alter Hase
im Klezmergeschäft. Er hat am ersten Album
der Gruppe Budowitz,
Mother Tongue, einen maßgeblichen Anteil
gehabt.
Mit Budowitz
gelang es Greenman, den Originalklang von Klezmer
des 19. Jahrhunderts in Osteuropa zu rekonstruieren.
Das Album wurde innerhalb der Szene begeistert
aufgenommen, war es doch das erste seit dem
wichtigem Album "Jewish
Klezmer Music" von Andy Statman und
Zev Feldman aus dem Jahre 1980, daß sich
so konsequent dem Originalklang verschrieben
hatte und dabei doch so überaus frisch
klang. So war es wahrscheinlich kein Zufall,
daß Greenman ein eigenes Projekt mit Zev
Felman initierte, daß sich ebenfalls dem
Originalklang verschrieben hat, aber noch ein
Stück weiter zurück in die Vergangenheit
ging. Mit Khevrisa,
so der Name des Projekts und des gleichnamigen
Albums, knüpfte Greenman an die Tradition
der Geige als das ureigenste Instrument der
Klezmermusik schlechthin an. So gab es, noch
bevor die Klarinette die Geige als Hauptinstrument
verdrängte, im 19. Jhdt. reine Streicherensembles,
die bei Hochzeiten und anderen jüdischen
Festen aufspielten. Daneben war auch das Hackbrett,
jiddisch als Tsimbl bezeichnet, ein ständiger
Begleiter der Klezmergeige. Neben Tanzstücken
spielte Greenman mit Khevrisa
aber auch Solostücke zum Zuhören ein,
etwas was es innerhalb des Revivals vorher nicht
gab, was aber als eigener Bestandteil des Repertoires
eines Klezmer im 19. Jhdt. eine wichtige Rolle
spielte. Was man bei Budowitz
schon hörte, was bei Khevrisa aber erst
so richtig zur Geltung kam, war neben der brillianten
Technik Greenmans außerordentlich gutes
Gefühl für das Feine dieser Musik.
Wie anfangs erwähnt besteht das Repertoire
vieler Gruppen heute aus Stücken von Notensammlungen
und alten Schellakaufnahmen, jedoch gab es immer
wieder auch Musiker und Gruppen, die daneben
auch ein oder zwei selbstkomponierte Stücke
im Repertoire hatten. Man denke an Joshua Horowitz,
Alicia Svigals oder David
Krakauer, um nur einige zu nennen. Steven
Greenman ist wohl der einzige bis jetzt, der
ein ganzes Album ausschließlich mit eigenkomponierten
traditionellen Klezmerstücken eingespielt
hat. Nein, eigentlich hat er zwei Alben eingespielt,
denn sein neues Werk "Stempenyu's Dream"
ist eine Doppel-CD. Eigentlich könnte man
das Album auch als zweites Khevrisa-Album
sehen, sind doch beinahe sämtliche Mitstreiter
des ersten Khevrisa-Albums
wieder mit an Bord, wie zum Beispiel Zev Feldman,
Michael Alpert und Stu Brotman. Dazu kommt mit
Alan Bern (Akkordeon, Klavier) ein Experte,
sowohl was traditionelle Klezmermusik als auch
das Komponieren neuer jüdischer Musik betrifft
(vgl. das aktuelle Album seiner Gruppe Brave
Old World, Bless the Fire). Nicht zu vergessen
ist Pete
Rushefsky, ein junger Virtuose an der Tsimbl,
der zu einer neuen Generation von Musikern zählt,
die sich dem traditionellen osteuropäischen
Stil des Klezmer zuwenden.
Die Bandbreite der Stücke auf Greenmans
neuem Album ist groß, sie orientiert sich
dabei am ersten Khevrisa-Album.
Einige Stücke gehen ein bißchen in
Richtung Romamusik bzw. moldawische Volksmusik,
ein Tribut an die Tradition der Klezmorim, die
mit Roma-Musikern nicht nur den Lebensraum,
sondern auch die Musik teilten. Außerdem
gibt es am Ende der ersten CD ein Stück,
in dem Greenman nicht nur Geige spielt sondern
auch singt. Er hat ein Gebet, daß an Schabbat
gesungen wird, neu vertont.
Schon erwähnt wurden die Mitmusiker dieses
Projekts, aber man muß noch einmal betonen,
wie sehr auch sie zum Erfolg dieses Albums beigetragen
haben. Natürlich steht Greenmans Geigenspiel
im Vordergrund, aber besonders bei den schnelleren
moldawischen Stücken hat Greenman seinen
Kollegen ausgiebig Raum gelassen, zu beweisen,
daß sie mit Recht zur Creme de la Creme
der internationalen Klezmerszene zählen.
Greenman selbst hofft, so schreibt er im ausführlichen
Booklet, mit diesem Album einen Anstoß
zu geben für künftige neue Kompositionen
für die Klezmergeige im Speziellen bzw.
das Klezmergenre insgesamt. Möge sein Traum
wahr werden. Den Anfang hat er gelegt.
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